Türkei: Transsexuelle Sängerin muss vor Gericht

Der transsexuellen Sängerin Bülent Ersoy drohen drei Jahre Haft.

Istanbul. Die Armee in der Türkei ist nicht nur allzeit bereit, ihr Land durch einen Putsch vor den Umtrieben seines unzuverlässigen Volkes zu retten. Die Armee will dafür natürlich auch geliebt werden. Und weil sie das nicht in ausreichendem Maße zeigte, muss sich ab Mittwoch die bekannte transsexuelle Sängerin Bülent Ersoy in Istanbul vor Gericht verantworten - wegen "mangelnder Verehrung der Armee" drohen ihr bis zu drei Jahre Haft.

So will es die türkische Staatsanwaltschaft, eng verbunden mit der Armeeführung, und derzeit auch mit einem Verbot der Regierungspartei von Premier Erdogan beschäftigt. Anlass der Klage gegen Bülent Ersoy sind Äußerungen der Diva in einer Fernseh-Show während des türkischen Militärschlags gegen kurdische Rebellen im Nordirak.

Ersoy hatte dabei gesagt, selbst wenn sie Kinder haben könnte, würde sie ihre Söhne nicht für diesen Krieg hergeben. Sie plädiere für eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts. Und wenn das verboten sei, so Bülent Ersoy, "dann sollen sie mich doch gleich aufhängen".

So weit ist die türkische Justiz noch nicht. Aber Gefängnis soll es doch sein. Interessant ist die Begründung: Während es in zivilisierten Ländern als bedenklich gilt, wenn sich die Armee dem Volk "entfremdet", sieht das der türkische Staatsanwalt genau umgekehrt: "Entfremdung des Volkes von der Armee" ist der Tatvorwurf.

Und zur Untermauerung führt die Anklagebehörde an, schon das Sprichwort, wonach "jeder Türke als Soldat geboren" werde, zeige doch, wie tief die Verehrung der Armee in der Bevölkerung verankert sei. Allein deshalb könne sich Bülent Ersoy auch nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen.

Die vom Staatsanwalt angesprochene Sache mit der Geburt als Soldat macht den Fall zusätzlich knifflig. Denn der 1952 als Junge geborene und schon in den 70er Jahren populäre Bülent Ersoy hatte mit der Geschlechtumwandlung, mit der er 1980 zur Frau wurde, wohl schon eine Art von Fahnenflucht begangen und war deshalb von der damaligen Militärregierung mit einem Auftrittsverbot belegt worden.

Die Diva lebte darauf einige Jahre in Deutschland, bevor eine spätere Zivilregierung das Verbot aufhob. Ersoy machte in der Folge keinen Hehl aus ihrer Verachtung für die Putschgeneräle. Jetzt scheint die Stunde der Revanche gekommen - wenn denn die Richter mitspielen.

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