Siegburger Foltermord: Ein mörderischer Zeitvertreib

Hermann H. musste elf Stunden leiden. Schließlich zwangen ihn seine Zellengenossen, sich zu erhängen.

<strong>Bonn. Sie wirken wie Schüler, die gerade vom Lehrer hören, dass ihre Versetzung gefährdet ist. Mit eingezogenen Schultern kauern sie in der Bank und starren auf den Boden, die drei schmalbrüstigen Jungs mit Goldkettchen, geföhnten Haaren und blitzsauberen T-Shirts. Aber sie sitzen nicht in einem Klassenzimmer, sondern in Saal 0.11 des Bonner Landgerichts. Und was sie gerade hören, sind ihre Urteile: 15, 14 und 10 Jahre Haft für eine der abstoßendsten Taten, die in den vergangenen Jahren in einem deutschen Gefängnis verübt worden ist.

Elf Stunden lang hatten sie ihr Opfer am 11. November vergangenen Jahres gefoltert, bevor sie es dazu zwangen, sich selbst zu erhängen. Nur die Sportschau konnte sie stoppen. Solange die neuesten Fußballergebnisse durchgegeben wurden, unterbrachen sie ihren mörderischen Zeitvertreib.

Nach eigenem Geständnis handelten sie aus Langeweile, "aus Spaß", dabei aber wohlüberlegt: "Man kann kaum planvoller vorgehen", sagt der Vorsitzende Richter Volker Kunkel. Die Täter stellten sogar eine Liste auf mit Argumenten dafür und dagegen, Hermann H. "wegzuhängen".

Wie kann es zu einer solchen Tat kommen? Möglich, dass auch in diesem Fall Gewalt neue Gewalt hervorgebracht hat. Danny K., laut Kunkel "Anstifter und Ideengeber" der Tat, wurde als Kleinkind vom Vater so heftig verprügelt, dass er sich oft nicht auf die Straße traute. Schon als Schüler zeigte er "hinterhältiges Verhalten und große Brutalität".

Man kann nicht sagen, dass die Gesellschaft ihn sofort aufgegeben hätte. Vier Monate verbrachte er in einem Gebirgsdorf in den Pyrenäen, wo sich drei Betreuer um vier Jugendliche kümmerten. Aber niemand wurde mit ihm fertig. Die Biografien der anderen beiden Täter sind ähnlich.

In einer Zeit, in der Neuropsychologen den freien Willen abschreiben, ist es nicht mehr selbstverständlich, dass junge Männer mit einer solchen Vergangenheit in vollem Umfang für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen werden. Der Psychiater kam bei den beiden älteren jedoch zu dem Schluss, dass ihre Persönlichkeitsstrukturen bereits ausgereift und sie damit voll schuldfähig sind.

Jugendstrafrecht Für Jugendliche (14 bis 18 Jahre) und Heranwachsende (18 bis 21) gelten besondere Regeln - die des Jugendgerichtsgesetzes (JGG).

Jugendliche Täter Wer bei der Tat jünger als 18 Jahre war, dem droht eine Höchststrafe von zehn Jahren. Insofern hat das Gericht bei Danny K. die Höchststrafe verhängt.

Heranwachsende Ralf A. und Pascal I. waren bei Tatbegehung zwischen 18 und 21 Jahre alt. In einem solchen Fall entscheidet das Gericht, ob es Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht anwendet. Jugendstrafrecht (zehn Jahre Höchststrafe) gilt nach § 105 JGG, wenn "die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters ergibt, dass er nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand." Das hat das Landgericht hier nicht so gesehen und daher Erwachsenenstrafrecht angewendet.

Warum nicht Lebenslang? Mord hat nach § 211 Strafgesetzbuch die Konsequenz "lebenslang". Jedoch kann das Gericht bei Heranwachsenden nach § 106 JGG statt lebenslang zehn bis 15 Jahre verhängen. So geschehen im Fall von Pascal I. und Ralf A.

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