Sie oder du: Wie es euch gefällt

Darf man völlig Fremde kumpelhaft ansprechen? Im Allgäu läuft jetzt ein Versuch, Besucher sollen dort selbst entscheiden.

Düsseldorf/Oberstaufen. Da muss mancher Tourist in der Düsseldorfer Altstadt erst mal schlucken. Nicht nur, dass ihm der Köbes, wie der Bierkellner am Rhein genannt wird, meist ungefragt und in hoher Schlagzahl mit Nachschub versorgt — nein, er duzt seine Gäste ebenso gern wie herzlich: „Für dich auch noch eins?“ ersetzt dabei das förmliche „Darf ich Ihnen noch etwas zu trinken bringen?“. In Düsseldorf nennt man solches Verhalten übrigens Brauchtum.

In Schweden und anderen skandinavischen Ländern gehört das Du wie selbstverständlich in den Alltag, selbst Schüler verzichten bei ihren Lehrern häufig auf das formale Sie. In seiner Werbung fragt der bekannte Bastelmöbel-Hersteller aus Schweden seine potenziellen Kunden auch konsequenterweise, ob sie — also du! — schon leben oder noch wohnen. Auch in den Hotels des Robinson-Clubs wird grundsätzlich jeder geduzt.

Im Allgäuer Ferienort Oberstaufen ist die Frage nach Du oder Sie auch noch nicht entschieden, Besucher können sich dort aber für eine Variante entscheiden. Im „Haus des Gastes“ sind es 24 Aufkleber in Form eines Fußabdruckes, die Gäste zu einem Info-Tresen führen. Auf jedem Abdruck steht gut lesbar das Wort „Du“. Folgt man ihnen, wird von einer freundlichen Dame im Dirndl empfangen. Ein Schild verrät: „Hier werden Sie geduzt“.

Besucher Erwin Kohl (75) findet die Idee gut. „Die Einheimischen duzen einen doch sowieso. Wenn es allgemein so üblich ist, finde ich das vollkommen in Ordnung.“ Seine Frau ist da allerdings ganz anderer Meinung: „Ich mag nicht gleich von jedem geduzt werden. Ich gehöre zu einer Generation, die das nicht kennt. Das Distanzierte liegt mir mehr als das Kumpelhafte“, sagt Maria Kohl.

Um ein Bild davon zu bekommen, was die Mehrheit der Gäste will, soll der Versuch in Oberstaufen den Sommer über laufen, sagt Tourismus-Chefin Bianca Keybach. Dennoch werde die Touristeninformation entgegen erster Pläne nicht komplett auf „Du“ umstellen. Selbst wenn nur ein kleiner Teil der Gäste die vertrauliche Anrede ablehnt, sei es unhöflich, Fremde zu duzen.

Die neue Situation ist sowohl für die Gäste als auch für die Mitarbeiterinnen ungewohnt. „Manchmal rutscht mir noch ein Sie raus“, sagt Nicole Blechinger, Leiterin des Gäste-Services.

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