Sicherheit als Schrott verkauft

Polier soll bei Kölner U-Bahn-Bau Stützstangen für Spundwände nicht eingebaut, sondern zum Metallhändler gebracht haben.

Köln/ Düsseldorf. Knapp ein Jahr nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs hat die Staatsanwaltschaft einen Betrug beim Bau der U-Bahn aufgedeckt. Bauarbeiter sollen Eisenstangen gestohlen haben, die für Stützmauern in U-Bahn-Schächten vorgesehen waren.

Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen zwei verantwortliche Mitarbeiter der am U-Bahn-Bau beteiligten Bauunternehmen eingeleitet.

Der Vorwurf: Unterschlagung und Betrug. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass auf Weisung des Poliers (Baustellenleiters) nicht die vorgegebene Zahl von Stangen eingebaut worden sei. Die eingesparten Eisenbügel sollen die Mitarbeiter an Schrotthändler verkauft haben.

Nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeiger" hat einer der Arbeiter ein Geständnis abgelegt. In eine Außenwand, die das U-Bahn-Bauwerk sichern sollte, seien mindestens ein Drittel weniger Eisenbügel als angegeben eingeflochten worden. Das Protokoll für den betreffenden Bauabschnitt soll dementsprechend gefälscht worden sein.

Der beschuldigte Polier war nach Erkenntnissen der Kölner Verkehrsbetriebe auch an den U-Bahn-Arbeiten für die Wehrhahn-Linie in Düsseldorf beteiligt. Hier wird das gleiche Bauverfahren angewandt wie in Köln, der unterirdische Schildvortrieb.

Die Düsseldorfer Stadtverwaltung reagierte am Dienstag sofort mit zusätzlichen Kontrollmaßnahmen. Es werde noch einmal untersucht, ob die vom Statiker vorgeschriebenen Stahlmengen auch tatsächlich in die Stützmauern eingebaut wurden, teilte die Stadt mit. Oberbürgermeister Dirk Elbers begrüßte ausdrücklich, dass der Polier inzwischen suspendiert wurde. "Bis zur abschließenden Klärung der Vorwürfe in Köln möchte ich möglicherweise involvierte Personen nicht mehr auf U-Bahn-Baustellen in Düsseldorf sehen. Die Sicherheit der Düsseldorfer steht über allen Dingen", sagte Elbers.

Der Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW, Heinrich Bökamp, sagte zu möglichen Folgen: "Wenn tatsächlich ein Drittel der Bügel fehlen würde, das wäre schon heftig." Zum Wert der Eisenstangen könne er nichts sagen: "Aber die werden schon einiges Geld dafür bekommen haben, so dass das ein lukratives Geschäft gewesen sein dürfte."

Bereits im vergangenen Monat hatte die Kölner Staatsanwaltschaft einen Betrugsverdacht bei der Abrechnung von Arbeiten beim Bau der U-Bahn bestätigt. Möglicherweise seien auch technische Aufzeichnungen manipuliert worden. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde die Staatsanwaltschaft nun auf den Diebstahl der Eisenstangen aufmerksam.

Der Diebstahl sei jedoch mutmaßlich nicht die Ursache des Unglücks, betonte am Dienstag der Kölner Oberstaatsanwalt Günther Feld. "Die fehlenden Stahlstücke können nicht zum Einsturz des Stadtarchivs geführt haben, denn der Schadensbereich liegt etwa zehn Meter unter dem Einbaubereich der Stahlstücke."

Was nun wirklich die Ursache des Einsturzes war, weiß die Staatsanwaltschaft bislang nicht. Drei Gutachter untersuchen den Fall zusammen mit weiteren Wissenschaftlern. "Es gibt zurzeit viele Spekulationen, aber keinerlei belastbare Erkenntnisse", sagte Feld.

"Die können wir auch nicht haben, weil die Schadensstelle noch gar nicht zugänglich ist." Sie befindet sich tief in der unter Wasser stehenden Baugrube. Es werde allein noch Monate dauern, bis diese Stelle für die Ermittler erreichbar sei, sagte Feld.

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