Nafri Schwierige Jagd auf nordafrikanische Täter

Mehrere Städte beobachten die Szene. In Düsseldorf lief das Analyseprojekt jetzt aus, eine Kommission nimmt den Kampf auf. Doch die Polizeiarbeit stößt an viele Grenzen.

Nafri: Schwierige Jagd auf nordafrikanische Täter
Foto: J. Michaelis

Düsseldorf. Und plötzlich waren sie wieder da. Silvester, am Kölner Hauptbahnhof. Mindestens 2000 junge Männer, mutmaßlich aus Nordafrika. Gleichzeitig alarmierte auch die Bundespolizei am Düsseldorfer Bahnhof die Altstadtpolizisten: Gruppenweise stiegen augenscheinlich Nordafrikaner aus Zügen und fuhren weiter Richtung Altstadt. Wo kamen sie her, fragt sich seither ganz Deutschland. Und was wollten sie? Die Szene, obwohl zum Teil seit Jahren unter Beobachtung, scheint für die Behörden noch immer ein Buch mit sieben Siegeln zu sein.

In Dortmund gibt es eine Ermittlungskommission „Maghreb“, die Kölner Polizei hat schon 2013 als erste ein Analyseprojekt unter dem Titel „Nafri“ ins Leben gerufen, um die auffällig hohe Zahl von ermittelten Tatverdächtigen aus dem nördlichen Afrika zu ordnen, zu bündeln. Ihr Anteil an der Gesamtzahl aller Verdächtigen habe 2015 in der Domstadt bei über zehn Prozent gelegen — unter ihnen Täter mit Wohnsitz in Mettmann, Gelsenkirchen, Wuppertal und anderen Städten.

Auch im Bochumer Bermudadreieck sind Taschendiebe — meist sogenannte „Antänzer“ — aus den Maghreb-Staaten zum massiven Problem geworden. Ein Einsatztrupp in Zivil, der die Szene gut kennt, zum Teil sogar dieselben Täter wieder und wieder trifft, ist dort unterwegs. Woher genau diese Täter kommen, kann Behördensprecher Frank Lemanis nicht sagen; oftmals verlagerten sie ihre Wohnorte auch. „Ich will nicht sagen, es ist ein Kampf gegen Windmühlen — aber doch sehr schwierig“, erklärt er.

Auch in Düsseldorf beobachtet die Polizei eine sehr mobile und sehr heterogene Szene nordafrikanischer Straftäter. Frisch eingetroffene Flüchtlinge, die quer durchs Ruhrgebiet oder den Rest NRWs untergebracht sind; junge Männer, die nach dem Arabischen Frühling kamen und schon jahrelang im Land sind; zum Teil sogar Menschen nordafrikanischer Herkunft, die inzwischen einen deutschen Pass haben. Im Rahmen des „Casablanca“-Projektes geriet das Düsseldorfer Bahnhofsviertel „Klein-Marokko“ — bei der Polizei Maghreb-Viertel genannt — in die Schlagzeilen und in Verruf. Doch die Thematik sei keine lokale, sagt Dietmar Kneib, Inspektionsleiter Organisierte Kriminalität in Düsseldorf: „Das Problem ist nicht das Maghreb-Viertel, sondern es sind die Leute von außen, die es als Ankerpunkt nutzen.“ Weil sie wissen, dass sie dort Landsleute treffen — auch jene, die wie sie nach Tatgelegenheiten suchen.

Eine Bande seien die tausenden Verdächtigen aus der „Casablanca“-Akte allerdings nicht. Eher passe der Begriff einer „Liquid Organisation“ aus den Niederlanden: Ein durchlässiges Konglomerat, in dem sich wechselnde Gruppen zusammenfinden, Kommunikation stattfindet, aber nicht zentral gesteuert wird. Man trifft sich in Flüchtlingsunterkünften, dann verbreiten sich Kontakte weiter über Soziale Netzwerke — keine, auf die die Polizei ohne Weiteres Zugriff hat.

In Düsseldorf hat man das Analyseprojekt inzwischen auslaufen lassen und sich neu aufgestellt, um aus den Erkenntnissen konkrete Maßnahmen abzuleiten. So ist die Ermittlungskommission „Pocket“ jetzt speziell den Intensivtätern beim Taschendiebstahl — in den Altstadtnächten werden diese zu einem hohen Prozentsatz von Nordafrikanern begangen — auf den Fersen, auch die Staatsanwaltschaft hat eine Abteilung für Intensivtäter eingerichtet. Mit Erfolg: In der Silvesternacht wurden drei algerische Taschendiebe von der Bundespolizei am Hauptbahnhof beobachtet, Zivilkräften der Landespolizei in der Altstadt zur Observation übergeben, auf frischer Tat erfasst — und am Folgetag schon im beschleunigten Verfahren zu mehrmonatigen Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. „Das sind Dinge“, sagt Kneib, „die sich in der Szene rumsprechen — und dazu führen, dass die Täter zumindest Düsseldorf schon mal meiden.“

Was dem Rest des Bundeslandes freilich wenig hilft. Doch außerhalb der Stadtgrenze stößt auch der Kampf gegen das nordafrikanische Kriminellenmilieu oft an seine Grenzen. So hat die Düsseldorfer Polizei zwar gemeinsam mit der Ausländerbehörde der Stadt einen Runden Tisch eingerichtet, um Intensivtäter aus Nordafrika priorisiert abschieben zu können. Doch so lange es teils über ein Jahr dauert, aus den maghrebinischen Herkunftsländern Papiere dafür zu beschaffen, wird es mit einer raschen Abschiebung nichts. Auch nicht in Fällen wie jenem des selbsterklärten „Königs der Diebe“, Taoufik M., der unter anderem wegen eines sexuellen Übergriffs in der Düsseldorfer Altstadt in der Silvesternacht 2015/16 verurteilt wurde. Denn nach Marokko darf nur mit einem marokkanischen Linienflieger abgeschoben werden — M. wusste sich aber so heftig zu wehren, dass mehrere Versuche, ihn außer Landes zu bringen, an der Weigerung der Piloten scheiterten, ihn an Bord zu lassen. Erst mit massivem Personaleinsatz gelang das Unterfangen zuletzt.

Nun sind die Absprachen mit nordafrikanischen Regierungen nicht Sache einzelner nordrhein-westfälischer Polizeibehörden. Die Bekämpfung des Phänomens zunehmender Straftaten durch Nordafrikaner soll aber Sache einzelner Polizeibehörden sein. Schließlich wird das Phänomen nicht einmal NRW-weit beobachtet. „Das zeigt, dass Innenminister Jäger und seine Behörden die Probleme entweder massiv unterschätzen oder aber nicht ernst nehmen“, sagt CDU-Innenexperte Gregor Golland. „Die Kriminalität dieser Täterklientel muss endlich entschlossen durch Polizei und Justiz bekämpft werden. Und Innenminister Jäger muss dringend Abschiebungen forcieren.“

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