Schwerstes Erdbeben seit 55 Jahren schockt Spanien

Murcia (dpa) - Entsetzen, Trauer, Wut: Nach dem schweren Erdbeben mit neun Todesopfern und rund 290 Verletzten standen die Menschen in der südostspanischen Urlaubsregion Murcia am Donnerstag angesichts des Ausmaßes der Verwüstung unter Schock.

Allein in der am stärksten getroffenen Stadt Lorca sind nach Angaben der örtlichen Behörden rund 80 Prozent der Gebäude beschädigt, über 20 000 Einwohner verbrachten die Nacht im Freien, immer wieder schreckten sie Nachbeben auf. Die Regierung in Madrid versprach schnelle Hilfe, doch in Murcia wurde auch zunehmend Kritik laut, weil die Gebäude trotz der Gefährdung augenscheinlich nicht erdbebensicher waren.

„Am Mittwoch haben wir noch Gott gedankt, dass wir überlebt haben. Doch nun stehen wir von den Resten unseres Hauses und wissen nicht mehr weiter“, beklagte ein älteres Ehepaar in Lorca. Das schwerste Erdbeben in Spanien seit 55 Jahren brachte dort mehrere Gebäude komplett zum Einsturz und begrub zahlreiche Autos unter den Trümmern. Auch der Glockenturm der San-Diego-Kirche stürzte in sich zusammen. Die Todesopfer, darunter ein 14-Jähriger sowie zwei Schwangere, starben durch herabfallende Gebäudeteile.

Rund 1200 Soldaten, Polizisten und Zivilschützer waren mit den Aufräumarbeiten beschäftigt. Da selbst die Krankenhäuser in der knapp 100 000 Einwohner zählenden Ortschaft geräumt werden mussten, wurden auf den Straßen neben Zelten für die Obdachlosen auch mehrere Feldlazarette aufgebaut. „Es sieht aus wie nach einem Krieg“, meinte ein Einwanderer aus Ecuador.

Der Regierungschef der Region Murcia, Ramón Luis Valcárcel, forderte, die Gegend zum Katastrophengebiet zu erklären. Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero sagte rasche Hilfe für den Wiederaufbau zu. „Wir werden bei der Vergabe der Gelder nicht feilschen“, versprach er. Das Parlament in Madrid gedachte der Toten derweil mit einer Schweigeminute, der Wahlkampf für die Kommunalwahl am 22. Mai wurde landesweit unterbrochen.

In Murcia wurde eine dreitägige Staatstrauer angeordnet. Lorcas Bürgermeister Francisco Jódar versprach, niemand müsse erneut eine Nacht im Freien verbringen. „Wir stellen alle Hotels, Herbergen, Schulen und Sporthallen zur Verfügung.“

Das Beben am Mittwochabend hatte nach Angaben der europäischen Erdbebenwarte eine Stärke von 5,2. Weniger als zwei Stunden zuvor hatte es Erdstöße der Stärke 4,5 gegeben, die aber keine größeren Schäden angerichtet hatten. Nach Angaben der Behörden sind unter den Toten keine Ausländer.

Der Erdbebenexperte Emilio Carreño erläuterte, das Beben habe deshalb so große Schäden verursacht, weil der Herd nicht tief unter der Erde, sondern relativ nahe an der Oberfläche gelegen habe. Zudem sei das Epizentrum nur wenige Kilometer von Lorca entfernt gewesen, der drittgrößten Stadt der Region Murcia. Nach Ansicht des spanischen Geologenverbands hätten die Gebäude das Beben jedoch aushalten müssen, wenn die Vorschriften für erdbebensicheres Bauen ausreichend beachtet worden wären.

Das Beben war eines der stärksten in der spanischen Geschichte. Die jüngste vergleichbare Katastrophe liegt 55 Jahre zurück. Im April 1956 wurden in der Gegend von Granada zwölf Menschen getötet. In Spanien sind schwere Erdbeben relativ selten. Im Süden des Landes werden zuweilen Erdstöße registriert, die in der Regel aber keine Schäden anrichten. Murcia ist die am stärksten erdbebengefährdete Region in Spanien.

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