Schildbürgerstreich in Spanien: Klinik ohne Strom und Zufahrt

Madrid (dpa) - Die Anlage, über die ganz Spanien staunt, schimpft und lacht, liegt einsam am Ende eines schmalen, holprigen Feldweges - auf einem entlegenen Grundstück, hinter Drahtzaun, umgeben von Äckern:

Schildbürgerstreich in Spanien: Klinik ohne Strom und Zufahrt
Foto: dpa

Das neue Krankenhaus der Gemeinde Lepe im Süden des Landes wurde am 14. Dezember fertiggestellt und soll nach Angaben der Behörden modernsten Ansprüchen der Medizin genügen. Das Problem: Es gibt weder eine Zufahrtsstraße noch eine Strom- oder Wasser-Versorgung. Das Spital steht leer und verlassen da, eine Lösung ist nicht in Sicht.

Der Schildbürgerstreich in der andalusischen Provinz Huelva hat eine Welle der Empörung ausgelöst - zunächst in der Region, dann in ganz Spanien. Nicht weniger als 21 Millionen Euro hat das Projekt verschlungen. „Die Schlagzeilen klingen wie ein Witz“, klagte der andalusische Schriftsteller Pablo Aranda in seiner Kolumne der Zeitung „Diario Sur“. Und das Blatt „El Heraldo“ befürchtet: „Wenn es so weitergeht, wird das Krankenhaus veraltet sein, bevor es in Betrieb geht.“

Die Erschließung der entlegenen Gemeindefläche, in der sich das „Centro Hospitalario de Alta Resolución“ über 13 421 Quadratmeter erstreckt, hat noch nicht einmal begonnen. Schlimmer noch, es gibt auch keine Pläne dafür. „Die rund 80 000 Einwohner werden Monate oder Jahre warten müssen“, klagt die Zeitung „El País“. Doch wer trägt die Verantwortung? Die sozialistische Regierung der Autonomen Gemeinschaft Andalusien und die konservativ regierte Stadt Lepe schieben sich die Schuld gegenseitig zu.

Man habe alle Verpflichtungen eingehalten, ließ die andalusische Regierung in Sevilla wissen. Das 2005 unterzeichnete Bauabkommen sehe vor, dass die Stadt sich um die gesamte Erschließung kümmern müsse. Lepes Bürgermeister Juan Manuel González Camacho entgegnete, die Autonome Gemeinschaft müsse gemäß Vertrag den Bau der Zufahrtsstraße finanzieren. Die Stadt habe wegen strenger Sparmaßnahmen kaum Geld übrig, er sei aber zum Dialog bereit, so der Bürgermeister.

Ein Vertreter der Sozialistischen Partei (PSOE) in Lepe, Juan Carlos López, widersprach am Freitagabend: Die Stadtverwaltung habe bereits zwei Mal Posten in Höhe von je 600 000 und einer Million Euro für die Erschließung des Krankenhaus-Gebietes veranschlagt. „Das Geld ist aber spurlos verschwunden.“ Die Konservativen boykottierten das Spital aus politischen Gründen, sagt er.

Nicht nur die regionalen und nationalen Medien sind empört, sondern auch die Menschen in Lepe. Sie fordern eine Lösung, damit im Krankenhaus - wie vorgesehen - jährlich 83 000 Patienten behandelt und 3000 Operationen vorgenommen werden können. „Wir warten schon viele, viele Jahre auf dieses Krankenhaus“, schimpft eine junge Frau in einem Video von „El Heraldo“. Und eine andere Frau fordert: „Die (Politiker) sollen endlich auch an das Volk denken!“

Den Bewohnern von Lepe wird das sicher kein Trost sein, aber: Ihr Pannen-Hospital ist in dem Land, dessen konservative Regierung 2012 zur Banken-Rettung von EU und Weltwährungsfonds (IWF) einen Kredit von 41 Milliarden Euro bekam und danach den Bürgern ein strenges Sparprogramm auferlegte, kein Einzelfall. Medien nahmen Lepe zum Anlass, um an andere absurde Beispiele von Geldverschwendung und miserabler Planung zu erinnern.

Rund 300 Kilometer östlich von Lepe findet man das nächste, noch teurere Beispiel. Das Krankenhaus Valle del Guadalhorce in Cártama östlich von Málaga steht seit rund vier Jahren leer. Anfang 2012 wurde es fertiggestellt. Der Bau der Zufahrtsstraße beginnt erst jetzt. Auch hier gab es politischen Streit. Die Gemeinde hat nun erreicht, dass die Provinz die Finanzierung übernimmt.

Noch in diesem Jahr soll derweil, so beteuern Lokalpolitiker, der Bau des neuen Super-Krankenhauses in Toledo rund 70 Kilometer südwestlich von Madrid weitergehen. Die Bauarbeiten, die insgesamt sage und schreibe 400 Millionen Euro kosten sollen, wurden 2011 unterbrochen. Das ehrgeizige Projekt gleicht heute einer riesigen Ruine.

Der Gesundheitsminister der Region Castilla-La Mancha, Jesús Fernández, dämpfte vor einigen Wochen die Hoffnungen: „Bis zur Einweihung werden mindestens vier oder fünf Jahre vergehen, schätze ich.“ Den 75-jährigen Pablo aus Toledo überrascht das nicht. „Das ist Spanien, nicht Deutschland“, sagte der 75-jährige pensionierte Lehrer der Deutschen Presse-Agentur. „Vieles läuft hier im Vergleich zu früher zwar sehr gut, aber die Einstellung der Politiker stammt zum Teil aus den 1950er Jahren.“

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