Report: Der Unglücksort am Tag danach

Köln (dpa) - Ungeduldig warten hunderte Feuerwehrleute auf der Severinstraße in der Kölner Innenstadt vor einem riesigen Schutthaufen. Sie wollen endlich loslegen und zwei noch immer vermissten Männer unter den Trümmern des Historischen Stadtarchivs in Köln suchen.

Doch auch am Tag nach dem Unglück kommen die Bergungsarbeiten wegen akuter Einsturzgefahr nicht richtig in Gang. Bis zum Nachmittag wurde die U-Bahn-Grube, in die das Archiv gestürzt war, mit Beton verfüllt. Erst wenn der Beton hart ist, kann die Suchaktion beginnen. Doch mit jeder Stunde sinkt die Hoffnung, die beiden Männer zu retten.

Christiane Haerlin bangt derweil um ihre Aufzeichnungen, die sich irgendwo unter den Trümmern befinden müssen. Die 66-Jährige konnte sich in letzter Minute aus dem Historischen Stadtarchiv retten. Ihren Laptop musste sie zurücklassen. Und mit diesem ihr fast druckreifes neues Buch. „Es sollte in wenigen Wochen veröffentlicht werden. Ich war fast fertig“, sagt Haerlin und wischt sich Tränen aus den Augen. „Ich hätte nur den USB-Stick rausziehen und mitnehmen müssen.“ Ein ganzes Jahr hat sie an dem Buch gearbeitet. Ihre Arbeit müsse unbedingt gefunden werden.

So viel wie möglich retten wollen auch die Mitarbeiter des Stadtarchivs. Sie warten auf der anderen Seite des Unfallortes, um endlich mit ihrer Suche nach den wertvollen Werken des Archivs beginnen zu können. „Mal sehen, was wir noch retten können“, sagt einer von ihnen. Optimismus hört sich anders an. Mit einem Versicherungswert von 400 Millionen Euro zählte das Historische Stadtarchiv zu den bedeutendsten Lagerorten Deutschlands. Unter anderem befanden sich hier große Teil des Nachlasses von Schriftstellern und Politikern wie etwa Heinrich Böll oder Konrad Adenauer.

Auf dem Schulhof eines gegenüber liegenden Gymnasiums stehen Bagger und Pappkartons. Feuerwehrleute hatten bereits in der Nacht zu Mittwoch mit der Suche nach Überbleibseln begonnen.

Das gesamte Ausmaß des Unglücks wird erst aus der Luft sichtbar. Wie nach einem Erdbeben ist das vierstöckige Archivgebäude in sich zusammengesunken und in den nahe liegenden U-Bahn-Schacht gestürzt. Zwei angrenzende Wohnhäuser und weite Teile der Straßendecke wurden mitgerissen. Wie durch ein Wunder ist ein Baukran stehengeblieben.

Als Ursache für das Unglück wurde am Mittwoch der nahe gelegene U- Bahn-Bau immer wahrscheinlicher. In Folge der Baumaßnahmen sei eine Öffnung entstanden, in die die Erde unter dem Stadtarchiv nachgerutscht sei, sagte Neuhoff am Mittwoch. Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) kündigte eine Überprüfung des Weiterbaus an.

Der Bereich um die Unfallstelle in der Severinstraße blieb weiträumig abgesperrt, viele Geschäfte öffneten erst gar nicht. Zum einen wegen fehlender Kundschaft, zum anderen aus Angst. „Was ist, wenn das Gebäude gegenüber auch noch einstürzt?“, fragt sich die Inhaberin einer Apotheke in der Severinstraße und zeigt auf ein 14 Stockwerke hohes Haus. Das wäre noch viel schlimmer.

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