Pipeline-Leck: Wesseling sitzt immer noch auf riesigem Kerosin-See

Vor einem Jahr liefen aus einer Pipeline der Shell-Raffinerie eine Million Liter Treibstoff in die Erde. Die Anwohner machen sich Sorgen.

Wesseling. Das Leck in der Leitung war gerade mal bleistiftdick. Und doch groß genug, um über vier Wochen mehr als eine Million Liter Kerosin unbemerkt ins Erdreich auslaufen zu lassen. Der Flugzeug-Treibstoff — leichter als Wasser — legte sich in sieben Metern Tiefe auf das Grundwasser. Rund 42 000 Quadratmeter sollen heute mit dem Kerosin überzogen sein — das entspricht einer Fläche von knapp sechs Fußballfeldern. Die Sanierung wird noch Jahre dauern.

Auch wenn das Trinkwasser nach Angaben des Wasserbeschaffungsverbands Wesseling-Hersel nicht belastet ist, machen sich die meisten Anwohner Sorgen. „Das ist ein starkes Stück“, sagt Regina Winter, die drei Kilometer von der Raffinerie entfernt lebt. „Keine schöne Vorstellung, dass da unten alles voller Treibstoff ist.“ Ein Einzelhändler richtet eine eigene Messstelle auf seinem Grundstück ein. „Nicht, dass auch noch der Boden belastet ist, auf dem ich sitze.“

Vor einem Jahr hatten Arbeiter in der Rheinland-Raffinerie des Mineralölkonzerns Shell an den Tanks 225 und 228 „auffällige Veränderungen“ an den Füllständen entdeckt. Schnell war klar: Irgendwo auf dem Weg vom Werk zum Tanklager musste die Leitung defekt sein. Doch wie konnte diese gewaltige Menge der Flüssigkeit fast unmerklich verschwinden? Shell-Sprecher Constantin von Hoensbroech sagt, bei dem Unfall seien mehrere Faktoren zusammengekommen: „Wir hatten lange zweistellige Minusgrade. Kerosin zieht sich bei Kälte von der Dichte her zusammen.“ Dass die Kurve an den Tanks „minimal sank“, sei deshalb zunächst als normal bewertet worden.

Seit dem Unfall geben sich in der Wesselinger Raffinerie die Gutachter die Klinke in die Hand. Shell hat drei Sanierungsbrunnen gebaut, die das Kerosin abpumpen sollen, ein vierter soll bald fertig werden. Nach Unternehmensangaben sind bisher mehr als 100 000 Liter aus der Erde geholt worden.

Mindestens drei Jahre, vielleicht sogar fünf sollen die Abpump-Arbeiten zwei Kilometer vom Rhein entfernt noch dauern. Der letzte Rest müsse sich dann selbst abbauen. Die Geologin Barbara Reichert von der Universität Bonn ist sicher: „Es wird mehrere Jahrzehnte dauern, bis das Kerosin wieder vollständig aus der Erde ist.“

Ein in jeder Hinsicht „unbefriedigender Stand“, kritisiert der Leiter der Umweltabteilung der Kölner Bezirksregierung, Joachim Schwab. Shell habe erst auf behördlichen Druck gehandelt. Tüv-Experten kamen indessen zu dem Schluss, es sei unwahrscheinlich, dass sich so ein Unfall noch einmal wiederholt. Ursache für das Leck sei eine „unvorhersehbare Wechselwirkung“ zwischen der Kerosin- und einer kreuzenden Wasserleitung gewesen. Insgesamt ein „singuläres Ereignis“, heißt es dem Gutachten.

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