Picknick zwischen Grabsteinen

Immer mehr Menschen nutzen Friedhöfe für Sport und Spiel. Der Stadt München wird das zu viel — im Zweifel soll die Polizei helfen.

München/Düsseldorf. Ihr Picknickplatz liegt zwischen drei Grabsteinen. Im Schatten einer Eiche auf dem Münchner Nordfriedhof haben drei Mütter ihre Decke ausgebreitet und den Picknickkorb geöffnet. Ein Junge klettert auf einen Grabstein, hält sich am Kreuz fest und springt Satz herunter.

Ein paar Meter weiter spielt eine Gruppe der nahe gelegenen Kita. Sieben Jungen und Mädchen bemalen einen knorrigen Baum mit Kreide. „Es ist die einzige Möglichkeit für uns, rauszukommen“, sagt Erzieherin Denise Raines.

Anna Zwinge liegt auf einer Decke neben einem Sarkophag. Die 21-Jährige studiert Jura an der nahe gelegenen Universität. Der Friedhof liegt bequem zwischen ihrer Wohnung und der Uni: „Ich bin zwei- oder dreimal die Woche hier“, sagt sie. „Am Anfang war es gruselig, aber daran gewöhnt man sich schnell.“

Die Münchner Friedhöfe verwandeln sich zum Freizeitparadies — für Jogger, Radler, Sonnenanbeter und spielende Kinder. Auch in anderen Städten sind die letzten Ruhestätten begehrt bei Spaziergängern und Läufern.

Von Zeit zu Zeit wird die letzte Ruhestätte zum Partyplatz: „Wenn das Wetter schön ist, ist hier schwer was los. Ich habe schon Kindergeburtstage mit viel Tamtam und Zirkus gesehen. Nachts gibt es Partys. Dann finde ich hier Bierflaschen und Einweggrills“, sagt Friedhofsgärtner Safet Jugovic. „Da habe ich morgens Stunden zu tun.“

Zwar liegt die letzte Beerdigung bereits 68 Jahre zurück, doch entweiht ist der Nordfriedhof nicht. Viele Gräber werden noch gepflegt. Auf einem liegt eine frische Schleife: „In liebevollem Gedenken“. Viele Angehörige fühlen sich von den Friedhofsurlaubern zunehmend gestört. So führt mancher Gang vom Grab direkt zur Behörde für Gesundheit und Umwelt.

Dort sitzt Joachim Lorenz, der zuständige Stadtrat. Bei ihm häufen sich die Beschwerden. Er glaubt, den Grund für die neue Nutzung zu kennen: „Alles wird in Beschlag genommen, der gesamte öffentliche Raum.“

Flyer und Infotafeln sollen die Besucher jetzt aufklären. Er hofft, dass sich das Problem damit löst. „Wenn das nicht hilft, müssen wir den Friedhof nachts schließen“, sagt Lorenz. Rudolf Wimmer, der Verwalter des Ostfriedhofs, glaubt nicht an den Erfolg solch einer Kampagne: „Kein Mensch schaut auf Schilder und Aushänge“, prophezeit Wimmer.

Er hat schon Gespräche mit der Polizei geführt. Eine dauerhafte Friedhofsstreife sei leider nicht drin. Aber vielleicht ja ein Aktionstag: „Einmal im Monat Kontrolle zur Abschreckung, das könnte sich bemerkbar machen.“

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