Physik-Nobelpreis für Quantenpioniere aus Frankreich und USA

Stockholm (dpa) - Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an die Quantenpioniere Serge Haroche (Frankreich) und David Wineland (USA). Sie haben Fallen gebaut, mit denen sich geladene Teilchen (Ionen) und Licht (Photonen) einfangen lassen.

Die besondere Leistung der beiden 68 Jahre alten Forscher: Ihre Objekte werden dabei nicht zerstört, sondern können über eine gewisse Zeit beobachtet werden. Damit sind diese Fallen zugleich Grundlage für genauere Uhren und grundsätzlich neue Computer. Das teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm mit.

In einer ersten Reaktion sagte Haroche dem Komitee am Telefon: „Das ist nur schwer zu fassen. Ich war auf der Straße, zusammen mit meiner Frau auf dem Weg nach Hause. Ich war froh, dass ich mich hinsetzen konnte, das ist überwältigend. Ich werde zu Hause Champagner trinken und dann ins Labor gehen.“

Wineland zeigte sich laut Nobel-Komitee weniger schwungvoll: „Wir werden uns vielleicht noch ein bisschen schlafen legen. Meine Frau hat den Anruf entgegengenommen und mich geweckt.“ Der Nachrichtenagentur dpa sagte er, dass er „nicht im Traum an eine solche Nachricht gedacht“ habe. Ob es nicht eintönig sei, Jahrzehnte auf dem gleichen Gebiet zu forschen? „Nein, es ist einfach Spaß, der nächsten Entdeckung entgegenzufiebern“. Wineland ist fasziniert von der Aussicht, mit einem Quantencomputer eines Tages „fast alle Geheimcodes der Welt knacken“ zu können. Langeweile kenne er nicht.

Per Delsing vom Nobel-Komitee erklärte: Dass die beiden Forscher das Messen von Photonen (Lichtteilchen) möglich gemacht haben, ohne dass diese dabei zerstört werden, „sei ein bisschen so, also ob man einen Kuchen zwar isst, ihn danach aber noch hat“.

Damit spielt er darauf an, dass Lichtteilchen in vielen anderen Messgeräten zwar nachgewiesen werden können, dann aber verschwunden sind. Ein Beispiel für einen solchen zerstörerischen Sensor ist das Auge: Es empfängt zwar den Strahl einer Taschenlampe, aber der Lichtstrom ist danach verschwunden - der Kuchen ist gegessen und weg.

Die Lichtfallen in Haroches Labor am Collège de France in Paris hingegen spiegeln Photonen zwischen zwei gekrümmten Spiegeln hin und her. Durch diesen Weg werden dann Atome hindurchgeschickt, deren Zustand danach etwas über die Photonen verrät - der Kuchen hat etwas über sich preisgegeben, ist aber noch da.

US-Kollege Wineland hingegen zähmte elektrisch geladene Teilchen (Ionen), indem er sie in elektrische Felder zwang, aus denen sie nicht herauskönnen. Mit einem Laser kann die Bewegung der Ionen dann bis fast zum Stillstand gebremst werden. In diesem besonderen Zustand lassen sich viele neue Experimente zur Quantenphysik starten. Wineland arbeitet am National Institute of Standards and Technology in Boulder (US-Staat Colorado).

Die beiden Wissenschaftler seien ausgezeichnet worden „für bahnbrechende experimentelle Methoden, die das Messen und Manipulieren individueller Quantensysteme ermöglichen“, heißt es in der Begründung der Jury.

Immanuel Bloch, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching, betonte: „Das ist eine fantastische Wahl. Beide sind hochbekannt in diesem Bereich. Das sind zwei Leute, die das Feld unheimlich vorangebracht haben.“

Sein Kollege Wolfgang Sandner vom Berliner Max-Born-Institut ergänzte: „Quantenmechanik ist etwas, das wir glauben zu verstehen, aber was immer für eine Überraschung gut ist. Hier ist keine neue Entdeckung ausgezeichnet worden, sondern ein Lebenswerk der beiden, das zu einem tieferen Verständnis der Quantenphysik geführt hat.“

Auch ein Deutscher wäre für den Preis infrage gekommen, sagte Professor Wolfgang Ertmer vom Institut für Quantenoptik an der Universität Hannover: „Wenn Professor Herbert Walther, der ehemalige Leiter des Max-Planck-Instituts für Quantenphysik in München, noch leben würde, hätte er sicher als Dritter den Preis erhalten.“ Walther habe sehr ähnliche Experimente unternommen wie Haroche und sich seinerzeit mit ihm ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert.

Am Montag war der Medizin-Nobelpreis an John Gurdon aus Großbritannien und Shinya Yamanaka (Japan) für die Rückprogrammierung erwachsener Körperzellen in den embryonalen Zustand gegangen.

Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.

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