Papa, wer ist dieser Hitler?

Am 30.Januar 1933 kamen die Nazis an die Macht. Die deutsche Vergangenheit beschäftigt auch schon kleine Kinder.

Düsseldorf. Irgendwann kommt die Frage: "Papa, wer ist denn dieser Hitler?" Oder ein Kind beschimpft ein anderes als "Jude" oder "Nazi" - ohne zu wissen, was damit gemeint ist. Eltern und Großeltern irritiert das, vor allem, wenn ihre Kinder klein sind. Fragen Kinder nach den Nazis, Krieg und Judenverfolgung, sollten die Erwachsenen ehrlich antworten, ohne gleich alles über dieses Kapitel deutscher Geschichte erzählen zu wollen. "Orientieren Sie sich an den Fragen der Kinder", rät Prof. Ariane Garlichs, Erziehungswissenschaftlerin aus Kassel.

Müssen schon Siebenjährige von Krieg und Verfolgung hören? "Es gab lange die Diskussion, ob man Schreckliches von Kindern fernhalten muss", sagt Dirk Lange von der Uni Oldenburg. "Aber Untersuchungen zeigen, dass schon kleine Kinder Vorstellungen von der NS-Zeit haben", so der Professor für Didaktik der Politischen Bildung.

Aus all dem folgt aber nicht, dass Eltern mit ihren Kindern von sich aus über Krieg und Nationalsozialismus sprechen müssen. Und schon gar nicht, dass sie ihr gesamtes Wissen darlegen sollten. "Es darf nicht das Aufklärungsinteresse der Eltern im Mittelpunkt stehen," warnt Garlichs.

Doch wie antworten Eltern auf die Frage "Was sind Nazis?" "Ich würde damit anfangen, dass Nazis für Ausgrenzung, Unterdrückung und Verfolgung standen", sagt Lange. "Dass andere oder sie selbst mal ausgegrenzt werden, ist eine Erfahrung, die Kinder selbst machen. So stellt man den Bezug zu ihrem Alltag her." Im Grundschulalter hätten Kinder einen stark ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, fügt Monica Kingreen vom Frankfurter Studienzentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust hinzu. "Kinder finden es schnell gemein, wie die Nazis etwa die Juden behandelten."

Damit Geschichte für Kinder nachvollziehbar wird, rät Kingreen, von der Biografie eines Verfolgten auszugehen. "Allerdings würde ich nicht Anne Frank nehmen, die gewaltsam zu Tode kam, sondern ein Kind, das die Zeit mit seiner Familie überlebte - wie Inge Auerbacher", sagt sie. Der Hinweis, dass viele andere umkamen, sollte dann aber nicht fehlen.

Tabus Wenn Eltern oder Großeltern von der Nazizeit erzählen, sollten Bilder von Leichenbergen, etwa aus Konzentrationslagern, tabu sein. Allerdings darf auch nicht verschwiegen werden, dass Kriege geführt und Menschen unterdrückt und getötet worden sind. Hier ist Balance nötig: Berichte über Verfolgung und Tod möglichst sachlich wiedergeben und nicht zu blumig ausschmücken. Die meisten Großeltern treffen dabei instinktiv den richtigen Ton, indem sie etwa die Kriegserlebnisse mit ein paar Anekdoten auflockern. Sie signalisieren damit: Es war eine schreckliche Zeit, aber wir, die wir das Glück des Überlebens hatten, sind damit trotzdem fertig geworden.

Ängste Damit keine Verlustängste bei den Kindern entstehen, sollten Eltern keinesfalls den Weltkrieg mit aktuellen Konflikten verknüpfen. Es ist wichtig, den Kindern zu sagen, dass das alles lange vorbei ist. Wichtig ist der Hinweis, dass Deutschland vor der NS-Zeit anders war und es jetzt auch wieder ist.

Literatur Als Eure Großeltern jung waren (Judith Kestenberg/Vivienne Koorland, Kraemer Verlag, 24,60 Euro); Ich bin ein Stern (Inge Auerbacher, Beltz, 5,50 Euro); Papa Weidt. Er bot den Nazis die Stirn (Inge Deutschkron/Lukas Ruegenberg, Butzon & Bercker, 15,40 Euro); Mona und der alte Mann. Ein Kinderbuch zum Judentum (Noemi Staszewski, Patmos, 14,90 Euro)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort