NRW-Forum: Ein Rausch in Bildern

Er übergießt Heidi Klum mit Schokolade und macht aus Beth Ditto eine Diva. Das NRW-Forum zeigt mehr als 300 extravagante Fotos von Rankin.

Düsseldorf. Die Rocksängerin Beth Ditto, Frontfrau der Band Gossip und Muse von Karl Lagerfeld, ist eine Künstlerin für Übergrößen. Der britische Porträt- und Modefotograf Rankin macht ihr schwarzes Haar noch schwärzer, multipliziert ihren Kussmund und verwandelt die massige Frau in eine Schönheit. Er sagt: „Sie ist eine beeindruckende Figur, eine große Persönlichkeit. Sie ist laut und lustig, sensibel und nett. Ihr Gesicht ist sehr schön und rund. Wie ein Bild.“

Rankin über die Queen, die er zum Thronjubiläum fotografierte.

Der 46-jährige Schotte trägt beim Gespräch selbst ein unauffälliges T-Shirt, aber seine Motive sind verführerisch, schockierend und sexy. Die schönsten Frauen der Welt gehören dazu. In London hat er ein riesiges Studio mit 70 Leuten, um Prominente wie den Künstler Damien Hirst mit Schinkenscheiben zu bekleben oder Models eine Katzenmaske überzustülpen.

Der Mann, der eigentlich John Rankin Waddell heißt, sollte ursprünglich Buchhalter werden. Doch dann besann er sich auf den Rat seiner Eltern: „Egal, was du machst, Hauptsache, du bist glücklich.“

Er wurde es, liebt nun Punk, ist weder überkandidelt noch eitel, eher humorvoll. Ein typischer Brite. Er legt sich Schweineborsten aufs Gesicht und lugt spitzbübisch aus der Maske hervor. Ein Witzbold. Und er erklärt: „Ich bin Porträtfotograf, aber ich amüsiere mich über die Prozesse der Fotografie.“

Vorgänger wie die Fotografen Herb Ritts oder Albert Watson zeigten Köpfe wie mit dem Hammer gemeißelt. Er ist rotziger, übergießt Heidi Klum mit Schokolade, zeigt Kate Moss als nackte Diva und spielt selbst die Rolle der Madonna. Ihm entkommt niemand, noch nicht einmal seine Frau, Model Tuuli Shipster, mit der er seit drei Jahren verheiratet ist. Im NRW-Forum für Kunst und Wirtschaft präsentiert er sie und ihre Kolleginnen derzeit mit gierigem Männerblick.

„Ich lege die Menschlichkeit in die Augen und die Fantasie ins Make-up“, erklärt Rankin, ganz Unschuldslamm. Und belustigt sich gleichzeitig. Er beklebt Promis die Haut mit Nägeln, macht Wangen zu Leinwandbildern. „Der Stylist ist mein wichtigster Partner. Ich arbeite mit den besten Make-up-Künstlern. Ich liebe Make-up und Haare. Die Augen sorgen für eine gewisse Menschlichkeit. Aber schon an den Rändern der Augen beginnt das Künstliche.“

Vor zwölf Jahren begann der Fotograf eine Serie zum Küssen. Dicke Zungen strecken seine Pärchen heraus — und berühren sich damit. Das ist kein tastendes erstes Mal, keine zarte Liebe, das ist fast schon animalisch. Rankin meint: „Wir gucken meistens gar nicht auf die sich küssenden Paare, sondern nur auf die Lippen. Ich liebe das Küssen, aber mit der Zunge.“

Eine Hommage gilt dem Puder, diesem rosaroten, fein gemahlenen Stoff, der alle Falten glättet und einen frischen Teint suggeriert. Wie bei seinem Michael Jackson. Den bekam er nicht vor die Linse; er nahm mit einem Double, mit Puder und Photoshop vorlieb. Das Ergebnis ist gelungen, als Computerfigur und als Doppelgänger. Dieser Rankin ist mit allen Wassern gewaschen.

Nur vor einer Frau hat er bislang gekuscht — vor der Queen. Ausgerechnet er, der Schotte aus Glasgow, wurde für das 60. Thronjubiläum als Fotograf ausgewählt. Ein ungewöhnlicher Auftrag für einen Künstler, den die Öffentlichkeit bis dahin für einen verrückten Kerl gehalten hatte. Er traf im Buckingham Palast auf eine Frau, die wenig sagte, aber freundlich und charmant war. Als „sehr pur, sehr ruhig, ideal für einen Fotografen“ schildert er sie. Und als „sehr stoisch“. Genau das war sein Problem: „Ich musste den Hofnarren spielen, bis ich ein Lächeln von ihr erhaschen konnte.“

Er nahm ihr all ihre Falten. Man sollte nur die Oberfläche sehen, „wie in einem Druck von Andy Warhol“. Und er sagt: „Die Queen ist für uns Briten eine lebende Ikone. Ich wollte ein zeitloses Bild schaffen, nicht alt, nicht jung, ein perfektes Bild.“ Wie alles, ist dem Lifestyle-Fotografen auch das gelungen. Der Tausendsassa ist längst im Establishment angekommen.

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