Neues Buch "Knast": Joe Bausch ist Hausarzt der schweren Jungs

Der 60-Jährige ist als Gerichtsmediziner im Kölner „Tatort“ bekannt. In einem Buch schreibt er über seine Arbeit im Gefängnis.

Köln. Die Welt hinter Gittern hat ihre eigenen Regeln und Hierarchien. Joe Bausch, seit 25 Jahren Mediziner in der Justizvollzugsanstalt Werl, gibt in seinem Buch „Knast“ Einblicke in eine abgeriegelte Welt. Das TV-Publikum kennt den 60-Jährigen als Gerichtsmediziner Dr. Joseph Roth, der seit 1997 im Kölner „Tatort“ an der Seite von Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär auftritt.

Im wirklichen Leben ist Bausch „Hausarzt von Sicherungsverwahrten, von Mördern, Kinderschändern, Totschlägern, Vergewaltigern, Erpressern, Räubern, Drogendealern, Betrügern und Dieben. Ich bin RAF-Terroristen begegnet, ehemaligen KZ-Wärtern, hochkarätigen Wirtschaftskriminellen.“

Der Knast sei „eine Parallelwelt mit eigenen Gesetzen“, schreibt Bausch, der den Patienten als Mediziner besonders nahe kommt. Er beschreibt Verbrechertypen — vom Betrüger und Bankräuber über den Zuhälter bis hin zum Mörder oder Kinderschänder. Überall herrsche Misstrauen unter den Häftlingen.

Viele Inhaftierte leiden unter Schlaflosigkeit, haben Angst, beklaut oder drangsaliert zu werden. „Die Möglichkeiten, einen Mitinsassen zu schikanieren, sind zahlreich, der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt.“ Vieles bleibe im Verborgenen. Erst wenn jemand massiv geschädigt werde, bekomme das der Vollzug mit, weiß Bausch. Einzelunterbringung müsse die Regel sein in deutschen Gefängnissen, fordert der Autor. Fast alle Häftlinge wollen in eine Einzelzelle. Nur die Neuen und Unerfahrenen nicht. Bausch: „Genau die sind es allerdings auch, die schnell unter die Räder kommen. Die abgezogen werden, sich unterordnen oder sogar prostituieren müssen.“

Auf die Sensiblen, Weichen, Ängstlichen, Drogenabhängigen oder psychisch Auffälligen werde besonders geachtet, um sie vor Übergriffen zu schützen. Denn: „Die erfahrenen Knackis wittern leichte Beute wie ein Rudel Wölfe ein einsames Wild.“ Beliebtes Mittel, jemandem zu schaden: „Denunziantentum und das Streuen von Gerüchten sind im Gefängnis sehr effektive Waffen.“

In seinem „Knast“ geht es auch um die eigene Rolle als „Libero“ unter den Anstaltsbediensteten. „Wie unser alter Hausarzt kenne ich heute die Lebensumstände von jedem einzelnen Gefangenen.“ Bausch entscheidet über Haft- oder Arbeitsfähigkeit, in Ernährungsfragen, bewilligt dickere Matratzen oder zusätzliche Socken. Sein zweites Leben als Schauspieler helfe ihm, sich abzugrenzen von den Abgründen, die sich im Knast auftun — und zugleich die Fähigkeit zum Mitgefühl nicht zu verlieren. „Nirgendwo wurde ich schwerer geprüft als im Knast“, räumt der TV-Pathologe ein.

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