Narren dürfen laut sein - Urteile rund um Karneval

Berlin (dpa/tmn) - Fliegende Bonbons, knallende Kanonen oder laute Straßenumzüge - immer wieder beschäftigt das bunte Treiben an Karneval auch die Gerichte. Die meisten Urteile zeigen: Gefeiert wird in der Regel auf eigene Gefahr.

Es sollte ein unbeschwerter Karnevalsumzug werden - bis ein Pralinenkarton einen Zuschauer am Kopf traf. Der Aufprall war so heftig, dass das „Opfer“ wegen einer Platzwunde behandelt werden musste. Während der Verletzte dies gar nicht lustig fand, zeigte sich Justitia sehr narrenfreundlich. Denn das Amtsgericht Aachen wies die Schmerzensgeldklage des Zuschauers mit der Begründung ab, er habe gewusst, auf welches Risiko er sich beim Besuch eines Karnevalsumzugs einlasse (Aktenzeichen: 13 C 250/05).

Es sind Fälle wie diese, die zeigen, dass Karneval durchaus eine ernste Sache sein kann. Denn die deutschen Gerichte müssen sich häufig mit Rechtsfragen rund um den Karneval befassen. Zumeist urteilen die Gerichte im Sinne der Veranstalter. So wies auch das Landgericht Trier die Klage des Besuchers eines Karnevalsumzugs ab, der einen Hörschaden durch eine abgefeuerte Weinbergskanone erlitten hatte. Es sei üblich, dass solche Kanonen zum Abfeuern von Konfetti und Böllerschüssen im Umzug mitgeführt würden, befand das Gericht (Aktenzeichen: 1 S 18/01).

Ebenso entschied dasselbe Gericht, der Veranstalter des Umzugs müsse keine Anweisungen über das Werfen von Süßigkeiten in die Zuschauermenge geben (Aktenzeichen: 1 S 150/94). Das Amtsgericht Eschweiler urteilte, das Werfen kleinerer Gegenstände sei üblich und mögliche Verletzungen von Zuschauern daher rechtlich irrelevant (Aktenzeichen: 6 C 599/86).

Kritischer bewertete dagegen das Landgericht Ravensburg die Aufsichtspflichten des Veranstalters. Er müsse für alle Umzugsteilnehmer Verhaltensregeln aufstellen und deren Einhaltung überwachen (Aktenzeichen: 3 S 145/96). Großzügiger war das Amtsgericht in der Karnevalshochburg Köln: Vom Veranstalter könne nicht erwartet werden, dass er Aufpasser abstelle, die Zugteilnehmer von Sachbeschädigungen etwa an parkenden Fahrzeugen abhielten (Aktenzeichen: 111 C 422/97).

Beim Einsatz von Pferden ist allerdings Vorsicht geboten. Nach Meinung des Oberlandesgerichts Koblenz ist auch bei „lammfrommen“ Kaltblütern, die sonst nur bei Waldarbeiten eingesetzt werden, während eines Karnevalsumzugs ein unberechenbares Verhalten nicht ausgeschlossen. Daher könne der Halter für die Verletzungen von Zuschauern durchaus haftbar gemacht werden (Aktenzeichen: 5 U 1812/90).

Ebenfalls keinen Spaß verstanden die Richter des Oberverwaltungsgerichts in Münster bei Gefahren, die im Straßenkarneval von Glasscherben ausgehen können. Die Richter urteilten, ein Glasverbot für den Kölner Straßenkarneval sei rechtlich grundsätzlich zulässig (Aktenzeichen: 5 B 1475/10). Das Verwaltungsgericht Köln hatte das Verbot zuvor noch als unverhältnismäßig abgelehnt (Aktenzeichen: 20 L 1606/10).

Dagegen haben „Karnevalsmuffel“ zumeist keinen Erfolg, wenn sie einen Umzug wegen Lärmbelästigungen verhindern wollen. So befand das Verwaltungsgericht Frankfurt, die bei einem drei- bis vierstündigen Fastnachtsumzug verursachten Lärmbelastungen müssten hingenommen werden (Aktenzeichen: 15 G 401/99). Ebenso urteilte das Oberverwaltungsgericht Koblenz: Störungen der Nachtruhe nach 22.00 Uhr durch Kappensitzungen müssten akzeptiert werden, wenn am anderen Tag allgemein arbeitsfrei sei (Aktenzeichen: 6 B 10279/04).

Unter welchen Voraussetzungen allerdings an Rosenmontag oder Fastnachtdiensttag arbeitsfrei ist, beschäftigt häufiger die Arbeitsgerichte. So urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG), auch wenn der Arbeitgeber über Jahre hinweg Mitarbeiter an Rosenmontag und Fastnachtsdienstag bei vollem Lohnausgleich von der Arbeit freigestellt habe, dürften sie nicht darauf vertrauen, dass dies auch in Zukunft so sein werde (Aktenzeichen: 5 AZR 16/92).

Ebenso entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (Aktenzeichen: 7 TaBV 80/02). Folgerichtig befand daher das BAG in einem weiteren Fall, wenn die jahrelang praktizierte Arbeitsfreistellung am Karnevalsdienstag für die Zukunft aufgehoben werde, liege darin keine mitbestimmungspflichtige Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (Aktenzeichen: 1 ABR 31/03). Narrenfreundlicher urteilte das LAG Düsseldorf: Wenn Arbeitnehmer regelmäßig an Rosenmontag dienstfrei hatten, gelte dies auch, wenn der übliche Karnevalsumzug einmal ausfalle (Aktenzeichen: 7 Ta 50/91).

Zuweilen machen Gerichte allerdings auch deutlich, dass selbst beim Karneval der Spaß irgendwann aufhört. So billigte der Disziplinargerichtshof in Mannheim die gegen einen Polizisten verhängte Disziplinarstrafe, weil er in Uniform an einer Karnevalsveranstaltung teilgenommen hatte (Aktenzeichen: 6/91). Das Bundesverfassungsgericht billigte das gegen ein Elternpaar wegen Verstoßes gegen die Schulpflicht verhängte Bußgeld. Sie hatten ihr Kind aus religiösen Gründen nicht an der Karnevalsfeier der Schule teilnehmen lassen (Aktenzeichen: 1 BvR 1358/09).

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