Mosambik: Luxus auf Afrikanisch

Mit deutscher Hilfe macht sich das Land auf in die Zukunft. Dazu gehört auch Strom für Filimonis Gefriertruhe.

Düsseldorf. Ganz geheuer ist Filimoni Ngulai das Leben da draußen nicht. „Das ist so hektisch und modern“, sagt der 60-Jährige, und seine Frau Ester nickt zustimmend. Das Ehepaar sitzt auf seinem Sofa und schaut auf den Fernseher älterer chinesischer Bauart. Eine afrikanische Seifenoper flimmert über den Bildschirm. Für die Ngulais ist das Gerät das Fenster zur Welt. Ihr eigenes Leben spielt sich in Chua, einem Dorf in Mosambik, ab, keine 100 Kilometer entfernt von der Grenze zu Simbabwe.

Im „Human Development Index 2011“ der Vereinten Nationen belegt Mosambik Platz 184 von 187 Ländern. Mehr als jeder zweite Einwohner lebt in Armut.

Filimoni und Ester Ngulai wohnen mit ihren neun Kindern in einer spärlich möblierten Hütte. Vier Zimmer, eine Glühbirne an der Decke und natürlich der Fernseher. Stolz deutet die 55-Jährige auf einen Gefrierschrank. Purer Luxus in einem Land, in dem nur 20 Prozent aller Haushalte an das öffentliche Stromnetz angeschlossen sind.

Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung betreut die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein Projekt, mit dem etwa in der Provinz Manica langsam eine Infrastruktur entsteht. 3,8 Millionen Euro investiert Deutschland, um Menschen Zugang zu grüner Energie zu verschaffen.

Filimoni Ngulai ist Bauer, inzwischen aber auch Stromversorger. Seit 2009 betreibt er ein Wasser-Kleinkraftwerk, das mit dem Wasser aus den Bergen betrieben wird. Das hat das Leben der 30 Familien umgekrempelt. „Wir haben Licht, wir können Handys aufladen“, sagt Filimoni. Dafür kassiert er von jeder Familie elf Dollar im Monat.

Ein Blick in Esters Gefriertruhe zeigt — sie ist leer. Der produzierte Strom reiche nur für einige Stunden am Tag, sagt sie. Dennoch habe sich der Alltag verändert. „Früher haben wir viel Zeit im Freien verbracht, heute schauen wir Fernsehen“, erzählt Filimoni. Den Kindern bleibe aber genug Zeit zum Lernen.

Fehlende Schulbildung, das ist ein weiteres großes Problem. 45 Prozent der Bevölkerung können weder lesen noch schreiben. 500 Jahre als portugiesische Kolonie haben ihre Spuren hinterlassen. Nach dem Abzug der Südeuropäer 1975 lag die Analphabetenrate sogar bei 96 Prozent, die Schulen waren geschlossen, das Land zerstört. Doch statt eines Neuanfangs folgten 16 Jahre Bürgerkrieg.

„Bis zum Friedensvertrag 1992 existierte unser Land nicht“, weiß Oscar Monteiro. Der 70-Jährige ist Mitglied der regierenden Freiheitsbewegung Frelimo und bekleidete einst mehrere Ministerposten. Erst seit 1992 werde in Bildung investiert.

Überall fehlen Lehrer. 8000 an der Zahl, schätzt Annelies Merkx, die für die GIZ Berufsbildungsprojekte in Mosambik steuert. Doch es sei schwer, welche zu finden. Der Mindestlohn einer Lehrkraft liege bei 80 Euro. „Jeder Wachdienst verdient mehr.“

In der Provinzhauptstadt Chimoio ist eines von 20 Lehrerausbildungszentren im Land. 203 junge Frauen und Männer werden im Instituto de Formacao de Professores — quasi im Schnellverfahren — zu Grundschullehrern ausgebildet. Viele sind gerade mal 17 Jahre und damit kaum älter als die Kinder, die sie unterrichten sollen. 17 Fächer stehen auf dem Stundenplan. Auch Aids wird thematisiert — wichtig in einem Land, in dem 11,5 Prozent der 15- bis 41-Jährigen infiziert sind.

An diesem Tag gibt es einen Mitmach-Parcours zur Aids-Prävention. Ines José und Ercilia Jacinio zeigen ihren Kommilitonen Zeichnungen: ein küssendes Paar, Sexualpraktiken, Menschen, die sich die Hand geben. Per roter oder grüner Karte sollen die angehenden Lehrer entscheiden, wo die Gefahr einer Ansteckung besteht. Die Unwissenheit ist groß. „Bis wir eine qualitative Verbesserung der Lehrerausbildung haben, dauert es noch Generationen“, glaubt Merkx.

Ausgerüstet mit einer Kiste, in der sich das Unterrichtsmaterial befindet, werden die Jung-Lehrer in die Schulwelt entlassen. Zum Beispiel in die Grundschule 23 in der Hauptstadt Maputo. Die Schule mit ihren 1500 Kindern liegt im Stadtteil Mafalala, ein Slum mit Hütten aus Wellblech und Holz. Anwohner bieten Führungen an, denn allein ist es zu gefährlich, durch die verwinkelten Straßen zu laufen. Stolz erzählen die Menschen, dass mehrere Präsidenten aus Mafalala stammen, ein Premier. Und Fußballstar Eusébio.

Von so viel Ruhm träumen auch die Kinder, die sich auf dem Boden eines vergitterten Raums drängen, Heft und Stift auf dem Schoß. „Es gibt eine Schulpflicht, aber die wird nicht kontrolliert“, sagt Merkx. In einer Klasse mit 65 und mehr Schülern falle es auch nicht auf, wenn ein Kind fehle. Eine Lehrerin im weißen Kittel steht an einer Tafel. Im Drei-Schicht-Betrieb, von morgens sechs Uhr bis abends 21.30 Uhr, wird unterrichtet — frontal, ganz klassisch.

„Bildung ist der erste Schritt“, sagt Merkx. Da die Rohstoffwirtschaft boomt, steige die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften. „Bei kluger Verwendung dieses natürlichen Reichtums könnte sich das Land mittel- bis langfristig aus der Armut befreien“, heißt es im Auswärtigen Amt. Vor Mosambik liegt noch ein weiter Weg.

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