Mord: Der „eiskalte Engel“ von Perugia

Einer US-Studentin droht in Italien das Urteil lebenslänglich.

Perugia. Ist Amanda Knox die unschuldige Madonna, für die sie die Verteidigung hält, oder doch der mörderische "Engel mit den eiskalten Augen"?

Der Prozess um den Mord an der britischen Studentin Meredith Kercher bewegt die Italiener seit zwei Jahren. Am Freitag berieten die Geschworenen in der umbrischen Hauptstadt über das Urteil.

Wie das ausfällt, scheint völlig offen: Die Verteidigung plädiert auf Freispruch. Beide Angeklagte hätten kein Motiv für einen Mord. Knox ist in den Augen ihrer Anwälte ein normales, braves Mädchen aus Seattle im US-Bundestaat Washington. Dort hatte sie Deutsch, Italienisch und Kreatives Schreiben studiert.

Die Staatsanwaltschaft hingegen will die 22-Jährige wegen Mord in Verbindung mit sexueller Gewalt möglichst lange hinter Gittern wissen. Ankläger Giuliano Mignini sagt, Knox sei narzisstisch, aggressiv und kenne keine Grenzen.

Rückblende: Am Morgen des 2.November 2007 finden Polizisten im Haus an der Via della Pergola 7 die halbnackte Leiche der 21-jährigen Meredith Kercher. Sie ist mit dutzenden Messerstichen übersät, hat Würgemale am Hals, und ihre Kehle ist durchschnitten.

Für die Ermittler stellt sich der Fall so dar, dass Knox, die im selben Haus wohnt, mit ihrem Freund Raffaele Sollecito (25) und dem Ivorer Rudy Guede unter Drogen- und Alkoholeinfluss die Britin zu Sexspielen gezwungen und dann ermordet hat. Knox’ Verteidiger halten das für undenkbar: Das Mädchen sei nur irrtümlich in den Mittelpunkt der Ermittlungen geraten.

Die Indizien sprechen gegen diese Behauptung: Am BH des Opfer finden sich DNS-Spuren ihres Freundes Sollecito, an einem Messer lassen sich Spuren von Kercher und Knox selbst nachweisen. Allerdings keine Fingerabdrücke, das Messer wurde gründlich gereinigt. Es kursieren Gerüchte, bei der Spurensicherung sei geschlampt worden.

Nach dem Abschluss der Ermittlungen beginnt ein Prozess, in dem alle Beteiligten sich gegenseitig beschuldigen. Guede sagt, er habe Knox und Sollecito mit dem Messer gesehen. Mittlerweile ist er aber selbst zu 30 Jahren Haft verurteilt, weil seine DNS in Kerchers Körper nachgewiesen wurde.

Knox hat den Barbesitzer Patrick Lumumba beschuldigt, bei dem sie gejobbt hatte. Der Kongolese wurde inhaftiert. Ihn rettete ein Gast, der ihm ein sicheres Alibi geben konnte. Knox die souverän und lächelnd vor Gericht auftritt, wird in Italien zum Medienstar und bekommt den Spitznamen "Engel mit den eiskalten Augen".

Am Ende sind alle Fragen offen. Ob die Bluttat in der beschaulichen Studentenstädtchen je vollständig aufgeklärt wird, ist unabhängig vom Urteil fraglich.

Die Verwandten der US-Studentin haben all die Zeit versucht, sie zu unterstützen: Fast immer saß jemand im Gerichtssaal. Der Prozess hat jedoch alles Geld der Familie verschlungen. Und Amanda Knox scheint nach elf Monaten vor Gericht ihre Coolness verloren zu haben. Als der Staatsanwalt sein siebenstündiges Plädoyer beendet hat, sagt sie mit Tränen in den Augen: "Meredith war meine Freundin. Es wäre absurd, jemanden zu verletzen, der nett zu mir war."

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