Maulkorb für einen Lehrer

Ein Oberstudienrat aus Rheine schreibt deftige Leserbriefe – Behörde und Gericht rufen ihn zur Ordnung.

Münster/Rheine. "Ich wehre mich dagegen, dass ich mundtot gemacht werde." Werner Friedrich, Oberstudienrat am Gymnasium Dionysianum in Rheine, klingt entschlossen. Auch wenn er gerade eine gerichtliche Niederlage hat hinnehmen müssen. Anlass: Leserbriefe, die der Mathe- und Lateinlehrer in der "Münsterländischen Volkszeitung" geschrieben hatte.

Als die Bezirksregierung Münster dem 57-jährigen deshalb eine Missbilligung (mit entsprechender Eintragung in die Personalakte) aussprach und für den Fall einer Wiederholung die Einleitung eines Disziplinarverfahrens ankündigte, wollte er das nicht auf sich sitzen lassen. Unter Berufung auf seine Meinungsfreiheit zog er vors Verwaltungsgericht Münster. Und verlor.

Hintergrund war ein schon lange kochender Streit zwischen Friedrich, der 2004 einmal als Bürgermeisterkandidat für die Grünen in Rheine angetreten war, und Josef N., dem langjährigen CDU-Chef in der Stadt. Dabei wusste Friedrich durchaus deftig auszuteilen - zum Missfallen der Schulaufsicht. Die gewählten Formulierungen seien unnötig reißerisch, plakativ und zum Teil auch beleidigender oder ehrenrühriger Natur, argumentierte die Bezirksregierung.

Dass der behördliche Rüffel zu Recht erfolgte, bestätigte nun das Münsteraner Verwaltungsgericht. "Der Beamte" müsse sich bei politischer Betätigung generell so verhalten, dass das Vertrauen der Allgemeinheit auf strikte Sachlichkeit und Objektivität seiner Amtsführung nicht gefährdet werde. Er dürfe sich zwar, wenn kein unmittelbarer Bezug zum dienstlichen Aufgabenbereich bestehe, zu jedem Thema äußern und dabei auch "deutlich und plakativ vereinfachend argumentieren."

Doch die Äußerungen, um die es bei den Leserbriefen ging, seien auf eine Persönlichkeitsherabwürdigung gerichtet gewesen. Der Verwaltungsrichter abschließend: "Solche Diskussionsbeiträge, die auch Vorbildwirkung für die Schüler des Lehrer entfalteten, lassen - im Widerspruch zu seinem Lehrauftrag - weder Duldsamkeit noch Achtung vor der Überzeugung des Anderen erkennen."

Lehrer Friedrich hält das Urteil für einen "Rückschritt in den Obrigkeitsstaat". Die Leserbriefe hätten nichts mit seiner Tätigkeit als Beamter zu tun. Sie seien nur mit seinem Namen und nicht mit seiner Amtsbezeichnung gekennzeichnet. Das Gericht kontert, zumindest die Schüler an Friedrichs Gymnasium könnten die Briefe zuordnen.

Wilhelm Achelpöhler, dem Münsteraner Anwalt von Friedrich, ist bei der juristischen Recherche kein entsprechender Fall in die Hände gekommen. Auch er kritisiert die obrigkeitsstaatliche Attitüde und sieht die Meinungsfreiheit in Gefahr. Es könne nicht sein, "dass Gerichte zum Zensor von Lehrern" würden. Nun überlegt er mit seinem Mandanten, Rechtsmittel einzulegen.

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