Mallorca ist scharf auf Europas Müll

Die beliebte Ferieninsel will jetzt mit „Abfalltourismus“ Geld verdienen — weil die Verbrennungsanlagen nicht ausgelastet sind.

Palma. Europas beliebteste Urlaubsinsel könnte bald einen neuen Namen haben: Müllorca statt Mallorca. Wenn die konservative Inselregierung ihre Pläne weiter vorantreibt, wird das Ferienparadies bald hunderttausende Tonnen Abfall aus dem Ausland importieren. „Wir wollen nicht der Misthaufen Europas werden“, stand auf Protestschildern in der Inselhauptstadt Palma, als jetzt per Fähre die ersten Lastwagen mit Importmüll eintrafen und dann zur Verbrennungsanlage Son Reus im Norden rollten.

Doch es sieh nicht so aus, als ob die Inselpolitiker im Müllkrieg am Ballermann einlenken wollten. Seit Monaten hagelt es Proteste: Anwohner der Müllöfen, Umweltschützer und Hoteliers laufen Sturm dagegen, dass die Insel zur internationalen Müllkippe werden soll. Die Tourismuswirtschaft fürchtet vor allem, dass das Image der Insel in Mitleidenschaft gezogen wird und die Urlauber wegbleiben.

Bisher sei Mallorca mit etwa neun Millionen Touristen pro Jahr noch Europas wichtigstes Reiseziel. Doch mit dem Abfallimport im großen Stil werde sich die Insel „in eine Supermacht des Mülltourismus verwandeln“, befürchtet Magdalena Palou, Sprecherin der linken Opposition im Inselparlament. In der Umgebung der Öfen gebe es jetzt schon eine erhöhte Schadstoffbelastung. Das werde künftig schlimmer.

Mallorcas Umweltministerin Catalina Soler und die private Betreibergesellschaft Tirme des Müllofens teilen diese Bedenken nicht. Sie nennen die Mülleinfuhr lieber „Brennstoff-Import“, denn es werde mit der Anlage Strom produziert. Umweltrisiken gebe es nicht, auch andere Länder wie etwa Deutschland verdienten Geld mit Abfallimport.

100 000 Tonnen Müll sollen im Laufe des Jahres nach Mallorca verschifft werden. Im nächsten Jahr könnten es gar doppelt so viele werden. Derzeit laufen aber auch Verhandlungen mit anderen spanischen Städten, die nicht wissen, wohin mit ihrem Müll. Auch aus dem Ausland könnte Abfall nach Mallorca reisen.

Hintergrund dieser Müllgeschäfte ist, dass die Verbrennungsanlage San Reus Verluste macht. Dabei war die Anlage erst in den letzten Jahren erweitert worden, weil die Insel im eigenen Müll zu ertrinken drohte. Doch als die Verbrennungsöfen fertig waren, brach mit Spaniens Wirtschaftskrise auch die Müllkrise aus.

Der Tourismus wuchs nicht mehr, es wurde weniger weggeworfen. Statt der kalkulierten 700 000 Tonnen Müll, für welche die Anlage ausgelegt wurde, kommen nur 480 000 zusammen. Aus der Sicht der Müllmanager eine Katastrophe und zu wenig, um mit den drei hochmodernen Müllöfen Geld zu verdienen.

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