London knickt nach Papstschelte ein

Politiker bezeichnen Ratzinger öffentlich als„Heuchler“.

London. Im sonst so toleranten Großbritannien beschimpfen Parlamentarier Papst Benedikt XVI. öffentlich als "Heuchler". Tausende schließen sich im Internet gegen seinen Besuch zusammen, Schwulenverbände trommeln Aktivisten für Demos zusammen.

Was die Briten aufbringt, ist die Papst-Kritik an neuen Anti-Diskriminierungsgesetzen. Zu ihrer doppelten Empörung hat sich die Regierung nun auch noch dem Druck der katholischen Kirche gebeugt: Die kontroversen Passagen werden aus der Gesetzesvorlage gestrichen.

Nach der Labour-Reform wären religiöse Einrichtungen gezwungen gewesen, sich wie alle anderen Arbeitgeber an die Gleichstellungsgesetze im Job zu halten.

Die Praxis vieler Kirchengemeinden, keine Schwulen zu beschäftigen, wäre somit rechtswidrig geworden. Für die meisten Briten war dieser Passus längst überfällig; eine parlamentarische Formsache, die im liberalen Klima des Königreiches kaum mehr als ein Schulterzucken provoziert hätte.

Doch am Sonntag mischte sich Ratzinger in das bis dato wenig beachtete Dokument ein. Die Neuregelung, so der Papst, führe zu "ungerechten Einschränkungen in der Freiheit religiöser Gemeinschaften, in Übereinstimmung mit ihrem Glauben handeln zu können", ja, sie sei sogar "widernatürlich".

Einfacher ausgedrückt: Die Anmahnung der Gleichbehandlung aller Beschäftigten, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, wird als Angriff auf die Religionsfreiheit gewertet. "Widernatürlich" ist für die allgemein eher locker denkenden Briten freilich genau jene Weigerung der katholischen Kirche, schwule Bürokräfte, Buchhalter oder Sozialarbeiter einzustellen.

"Der Papst verteidigt die Diskriminierung der Kirche und fordert, dass sie über dem Gesetz steht", empört sich Schwulen-Aktivist Peter Tatchell. Stephen Hughes, katholischer Labour-Vertreter, bezeichnete die Papst-Argumente als "widerwärtig".

Das Gesetz liegt nun erst mal auf Eis, der Papst-Streit tobt dafür umso heftiger. Denn: Die anfallenden Sicherheitskosten bei Ratzingers Herbst-Besuch muss der Staat aufbringen. Jene Einrichtung, deren Einmischung Ratzinger sich verbeten hat.

Dass die Steuerzahler mit geschätzten 20 Millionen Pfund jenen Geistlichen subventionieren sollen, der sich auf Kriegsfuß mit allgemein akzeptierten Gleichberechtigungsregeln befindet, lässt Terry Sanderson vor Wut schäumen.

Für die Papst-Visite trommelt der Präsident der "Säkularen Gesellschaft" deshalb bereits eine bunte Allianz aus Demonstranten zusammen. Darunter finden sich all jene, die mit der katholischen Kirche noch eine Rechnung offen haben: Schwulengruppen, Abtreibungsaktivisten, Feministinnen und Vereine, die kirchliche Missbrauchsopfer vertreten.

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