Letzter Halt für junge Straftäter

Schon Achtjährige geraten in den Fokus der Polizei, weil sie Straftaten begehen. Im Rahmen des Programms „Kurve kriegen“ haben sie gute Chancen, gegenzusteuern.

Letzter Halt für junge Straftäter
Foto: dpa

Düsseldorf. Prügeln, Rauben, Erpressen — das sind die wesentlichen Straftaten, die jugendliche Intensivtäter im Alter von 14 bis 21 Jahren begehen, wie NRW-Innenminister Ralf Jäger am Dienstag in der Staatskanzlei in Düsseldorf mitteilte. Sie stellen nur sechs Prozent der Täter insgesamt, die in diesem Alter straffällig werden, sind aber für 40 Prozent der Taten verantwortlich. Es handelt sich dabei um Heranwachsende aus gut situierten Familien — aber auch vom Rand der Gesellschaft. 90 Prozent der Täter sind laut NRW-Innenminister Jungen, zwei Drittel der jugendlichen Kriminellen haben einen Migrationshintergrund.

Ralf Jäger (SPD), NRW-Innenminister zum Programm „Kurve kriegen“

Solche kriminellen Karrieren beginnen laut Jäger sehr früh: „Es gibt schon Achtjährige, die abzugleiten drohen.“ Das Präventionsprogramm des Landes, „Kurve kriegen“, soll genau das verhindern. Polizeibeamte und Pädagogen versuchen dabei, in den Anlaufstellen (siehe Kasten) jene Kandidaten im strafunmündigen Alter von acht bis 13 Jahren herauszufiltern, die Hilfe brauchen. „Wir erreichen die Kinder und Jugendlichen“, versicherte Jäger und verwies dabei auf den Rückgang der Jugendkriminalität (Tatverdächtige unter 21 Jahren) in Nordrhein-Westfalen. Von 2010 sei die Zahl bis 2015 von gut 132 000 um 26 000 gesunken. Das sind rund 20 Prozent, „demografiebereinigt“ — es gibt heute weniger Kinder als früher — sind es immerhin noch zwölf Prozent.

Die Betreuung der Acht- bis 13-Jährigen beinhaltet Sozialkompetenztraining, Lernförderung und — wenn nötig — intensivtherapeutische Angebote, berichtete der Hagener Pädagoge Uwe Grohmann. Natürlich ist Sport ein Teil der meist mehrjährigen Förderung. Praktisch geht es laut Grohmann darum, den Jugendlichen beizubringen, mit Misserfolgen umzugehen, ohne dass gleich die Fäuste fliegen. Aber es ist keines, das zur Strafmilderung genutzt werden soll: „Das Programm soll nicht vor Strafe schützen, sondern es sollen Taten verhindert werden“, betonte der Pädagoge.

Die Hilfe, die das Programm „Kurve kriegen“ bietet, sei für die betroffenen Familien oft eine große Erleichterung. Grohmann sagte, dass viele Eltern, die mit ihren aus dem Ruder gelaufenen Kindern nicht mehr fertig werden, daran verzweifeln und die Unterstützung dankbar annehmen. Diese Erfahrung machen er und seine Kollegen immer wieder.

Die Teilnahme am Präventionsprogramm ist allerdings freiwillig. „Wir machen nur die Tür auf, durchgehen müssen sie schon selbst“, sagte Jäger. Der NRW-Innenminister ist mit den Ergebnissen bisher zufrieden, sieht aber „auch noch Luft nach oben“. Wenn 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen nicht wieder straffällig werden, gelingt das bei 60 Prozent von ihnen momentan nicht. In einigen Fällen sogar ganz und gar nicht.

„Ein kleiner Teil ist für uns überhaupt nicht erreichbar — auch durch eine Strafe nicht“, räumte Jäger ein. „Um es klar zu sagen: Die müssen am Ende in den Knast, um die Gesellschaft vor ihnen zu schützen.“ Dennoch lohnten sich Präventionsprojekte auf jeden Fall — auch wenn es keine 100-Prozent-Erfolgsquote geben könne.

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