Landtagswahl: NRW-Wähler stellen bundespolitische Weichen

Im Mai entscheidet sich, ob das bürgerliche Lager an der Regierung bleibt und auch in Berlin „durchregiert“ werden kann.

Düsseldorf. Man muss lange in den Geschichtsbüchern blättern, um eine ähnliche Konstellation zu finden: Zuletzt wurden 1966 sowohl der Bund als auch Nordrhein-Westfalen von einer CDU-FDP-Koalition regiert. Ein historischer Augenblick, der in Düsseldorf kurz als Bestätigung der eigenen Politik seit 2005 gewertet wurde und in Berlin kaum Widerhall fand.

Zu schnelllebig ist die Tagespolitik, das Hamsterrad dreht sich weiter: Am 9. Mai wird in NRW gewählt. Es ist die große Bewährungsprobe für Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, aber auch für Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Denn es geht um die Frage, ob das bürgerliche Lager mit einer bequemen Mehrheit in Bund und Ländern durchregieren kann, wie sich das Merkel bereits früher gewünscht hat.

Die Voraussetzungen dazu waren schon einmal günstiger. Bei der Bundestagswahl haben Merkel und FDP-Vormann Guido Westerwelle eine satte Mehrheit eingefahren, Rüttgers und sein FDP-Partner Andreas Pinkwart müssen in NRW nach jüngsten Umfragen darum bangen.

In Düsseldorf leiden sie unter dem Berliner Trend: Der Stolperstart der neuen Bundesregierung hinterlässt auch hier seine Schleifspuren. Dazu kommt ein Phänomen, das schon so etwas wie ein ehernes Gesetz in der deutschen Politik ist: Nach einer gewonnenen Bundestagswahl sacken die Gewinner erst einmal in der Publikumsgunst ab.

Dabei kann sich Rüttgers eigentlich zurücklehnen. In Persönlichkeitsumfragen liegt er klar vor SPD-Herausforderin Hannelore Kraft, die allerdings klare Vorteile auf dem Feld der persönlichen Glaubwürdigkeit hat. Doch Rüttgers, der bei Helmut Kohl geschulte Politikstratege, registriert genau: Seine CDU rangiert je nach Umfrage zwischen 33 und 38 Prozent und ist dabei seit dem Mai 2005 auf einem absteigenden Ast. Damals erreichte die Union 44,8 Prozent.

Noch hält Jürgen Rüttgers die SPD auf Abstand, doch liegt diese mit um die 30 Prozent in Schlagweite und vor allem rund zehn Punkte vor den katastrophalen Werten der Bundespartei. Rüttgers weiß: Erholt sich die SPD auf Bundesebene, kann es für ihn in NRW eng werden. Doch eine solche Entwicklung ist fünf Monate vor der Landtagswahl nicht in Sicht. Die neue Bundes-SPD bemüht sich gerade unter dem neuen starken Mann Sigmar Gabriel, Tritt zu fassen. Das zahlt sich bisher noch nicht in besseren Umfragewerten aus.

Die NRW-Wahl ist eine kleine Bundestagswahl, Merkel und Westerwelle werfen sich ebenso ins Getümmel wie auf der anderen Seite Gabriel, Steinmeier, Trittin, Künast oder Gysi. Schließlich geht es auch um die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat. Die ist hin, wenn es im bevölkerungsreichsten Bundesland zu einem andersfarbigen Bündnis kommt - also auch dann, wenn Rüttgers beispielsweise Chef einer rot-schwarzen oder auch Jamaika-Koalition würde.

Für die SPD besteht das Problem in dem Aufzeigen einer realen Machtoption. Der liebste Partner - die Grünen - dient sich seit einigen Wochen mehr oder weniger unverhohlen der CDU an. Nach fünf Jahren in der Opposition locken auch hier wieder die weichen Sessel der Macht.

Für Rot-Grün alleine wird es wohl kaum reichen. Bliebe eine Ampel, also ein Dreier-Bündnis zwischen SPD, FDP und Grünen. Das erscheint wegen der offenen Feindschaft zwischen Grünen und FDP ebenso unwahrscheinlich wie Jamaika (CDU/FDP/Grüne).

Bliebe Rot-Rot-Grün, also eine Koalition mit der Linkspartei. Den NRW-Landesverband nennt Kraft "regierungsunfähig" und bezieht sich dabei auf jüngste Beschlüsse wie etwa die Forderung nach einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, der Abschaffung von Schulnoten oder vor allem der Verstaatlichung der Energiekonzerne RWE und Eon. Eine glatte Absage an die Linkspartei lehnt Kraft gleichwohl ab. Sie will die Machtoption behalten - als Druckmittel für eine Große Koalition?

Das große politische Spiel ist also wieder eröffnet. In Düsseldorf geht es ums Ganze - auch für das Machtgefüge in Berlin.

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