Krankeits-Verdacht: Behandelt wie ein Aussätziger

Mit Fieber aus dem Flieger von Mallorca: Wie es einem als potenzieller Schweinegrippe-Fall in der Notaufnahme einer Klinik ergeht.

Bonn. 9:08 Uhr, Sonntagmorgen, Notaufnahme der Uniklinik Bonn: Die drei Krankenschwestern am Empfang sind gut gelaunt. "Wir sind gerade aus Mallorca gekommen", sagt meine Freundin, sichtlich geplagt von Glieder- und Kopfschmerzen. "Seit gestern Abend ist das Fieber trotz Paracetamol nicht zurückgegangen, und ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Können Sie auch einen Test auf Schweinegrippe machen?"

Schlagartig verlieren die Krankenschwestern ihre gute Laune. Urlaub. Flughafen. Schweinegrippe. Das gefürchtete Wort, das derzeit in Deutschland nicht weniger grassiert als die gleichnamige Krankheit. "Das sieht jetzt vielleicht etwas komisch aus", sagt die Verantwortliche und zückt eiligst zwei OP-grüne Atemmasken, "aber die sollten Sie jetzt tragen - zu Ihrer eigenen Sicherheit".

9:10 Uhr: Ein anderer Patient rutscht nervös auf seinem Stuhl umher. Mit aufgesetzten Atemmasken verlassen wir den Empfang und biegen um die Ecke. Zwei Stühle, ein OP-Bett, eine große Schrankwand mit Instrumenten - Innenleben des hell erleuchteten, sterilen Untersuchungsraums. "Bitte nehmen Sie Platz", sagt eine freundliche Frau mit leicht nervösem Klang in der Stimme.

Ob sie Ärztin oder Krankenschwester ist, wird auf den ersten Blick nicht klar, da ihre Schutzkleidung das Namensschild überdeckt: Atemmaske, weiße Arbeitskleidung, darüber ein grüner Kittel mit OP-Haube. In ihrer behandschuhten Hand: ein kleines Gefäß aus Plastik. "Reiben Sie sich damit die Hände ein", informiert sie uns und reicht die Desinfektionslösung.

9:15 Uhr: "Verdacht auf Mexiko-Grippe", tippt die Medizinerin in den Computer. Der Aufnahmebericht zur Ersteinschätzung wird später dem behandelnden Arzt gereicht. "Sind Sie schwanger? Haben Sie eine Tetanus-Impfung? Leiden Sie unter Allergien? Wie stark sind Ihre Schmerzen?" Geschwind huschen die blauen Handschuhe über die Tastatur.

Dann die entscheidende Frage: "Wenn eins keinen Schmerz bedeutet und zehn unvorstellbare Schmerzen - wie schätzen Sie sich ein?" Meine Freundin ordnet sich bei sechs ein. "Und nun zu Ihnen", fährt die Protokollantin fort. Obwohl ich beschwerdefrei bin, muss auch ich als Kontaktperson den Aufnahmebogen beantworten, der bürokratisch-korrekt mit der Frage nach der Gesundheitskarte endet.

9:23 Uhr: "Wieso denken Sie, Sie könnten die Mexiko-Grippe haben?", fragt eine Ärztin, als sie mit noch dickerer Atemmaske und zwei Teststäbchen hereinkommt. Der Hinweis auf den Urlaub genügt ihr. Ein Pistolen-ähnliches Fieberthermometer kommt in unseren Ohren zum Einsatz. Es folgen ein Rachenabstrich mit Wattestäbchen und bei meiner Freundin zusätzlich drei Röhrchen Blut. "Das dauert jetzt aber schon bis zu acht Stunden, in denen Sie diesen Raum nicht verlassen dürfen", sagt die Ärztin und verschwindet wieder.

9:45 Uhr: "Isolation! Zutritt nur für Befugte", steht auf der anderen Seite der Tür. Das medizinische Personal ist gegangen. Inzwischen hat sich meine Freundin aufs Bett gelegt, unaufgefordert. Ein Medikament ist noch nicht verabreicht worden.

10:25 Uhr: Hunger, Durst, Harndrang. Zeit für die Klingeltaste an der Wand. "Zimmerservice!", antwortet der freundliche Stationsarzt, der zehn Sekunden später durch die Tür späht. Rheinischer Humor bei der Arbeit. "Ich sehe, Sie haben sich schon häuslich eingerichtet", sagt er zu meiner halbschlafenden Freundin. Nach einigen Minuten kehrt er mit einer Flasche Mineralwasser und Plastikbechern zurück. Bei der Toilette zögert er: "Eigentlich nicht, aber wenn Sie die Maske auflassen... Und Sie haben ja keine Symptome." Danach darf ich den gegenüberliegenden Waschraum benutzen.

11:30 Uhr: Keine Mexikogrippe! Der Bluttest ist negativ. Alles deutet auf einen bakteriellen Infekt hin. Die Ärztin reicht ein Antibiotika-Rezept und einen Ausdruck mit Apotheken, die sonntags geöffnet haben. "Kontakt zu anderen Personen meiden", schreibt sie auf den Vertretungsschein, da das 100-prozentige Ergebnis erst durch den Abstrich feststeht - dessen Auswertung noch einen Tag braucht. "Schlafen Sie erst mal ’ne Runde", empfiehlt die Ärztin, bevor sie ihre Schutzkleidung in einen bereitstehenden Mülleimer entsorgt und sich gründlich die Hände wäscht.

12:01 Uhr: Rückweg zum Auto, immer noch mit Atemmaske. Wieder ängstliche Blicke aus der Notaufnahme. Man schicke die Rechnung per Post, informiert uns die Klinik. Zu lange sollen wir trotz des negativen Schnelltests hier nicht mehr verweilen.

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