Klinik-Skandal Wegberg: Pier verteidigt Zitronensaft

Vierter Verhandlungstag geriet zeitweise zur medizinischen Fachvorlesung.

Mönchengladbach. Glaubt man dem Hauptangeklagten im Prozess um den Wegberger Klinik-Skandal, dann war alles ganz anders, als von der Staatsanwaltschaft dargestellt: Vor dem Landgericht Mönchengladbach sagte am Donnerstag der ehemalige Chefarzt und Klinikbesitzer Arnold Pier in eigener Sache aus - und verteidigte dabei vehement den Einsatz von Zitronensaft bei der Wundbehandlung von Patienten. Dabei habe man, so Pier, "in einigen Fällen gute Erfolge erzielt".

Der Zitronensaft sei dabei aber lediglich zur "oberflächlichen Wundbehandlung" angewendet worden, keinesfalls aber - wie von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift behauptet - gespritzt oder gar zur Spülung der Bauchhöhle einer am Darm operierten und später verstorbenen Patientin verwendet worden. Außerdem sei der Einsatz von Zitronensaft stets als "ultima ratio", als "letzte Möglichkeit", eingesetzt worden - dann, wenn alle anderen Mittel bereits versagt hätten.

Wie bei der 1926 geborenen Patientin Margarete W., deren Tod am 30. März 2006 im Mittelpunkt des Verhandlungstages am Donnerstag stand. Pier und vier weiteren Ärzten des Wegberger Klinikums wirft die Staatsanwaltschaft in insgesamt neun Tatkomplexen unter anderem Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung sowie gemeinschaftliche Körperverletzung mit Todesfolge vor.

Margarete W. war von ihrem Hausarzt in die Klinik eingewiesen worden, als er Blut im Stuhl seiner Patientin entdeckt hatte. Die Beschreibung der Krankengeschichte der Patientin sowie der getroffenenen Operationsmaßnahmen bis hin zum Tod der Patientin verwandelten den Gerichtssaal zeitweise in den Hörsaal einer medizinischen Vorlesung - für Nicht-Mediziner kaum verständlich.

Gleichwohl war Pier stets verbindlich-freundlich bemüht, die wichtigsten medizinischen Begriffe und Vorgehensweisen auch den Laien verständlich zu machen. Auch für die Tatsache, dass statt des Wortes "Zitronensaft" in den Patienten- und Operationsberichten das Wort "Ascorbinsäure" verwendet wurde, hatte Pier eine Erklärung: "Wir hatten uns im Kollegenkreis darauf geeinigt, um eine einheitliche Bezeichnung zu haben." Dies sei keinesfalls erfolgt, um etwas zu verschleiern oder zu verbergen. Pier: "Warum sollten wir etwas verschleiern, wenn wir damit doch gute Erfolge hatten?"

Ins Stocken geriet der eloquente Mediziner nur einmal: Als Vorsitzender Richter Lothar ihn fragte, warum Pier einen Verbandswechsel bei der kurz darauf verstorbenen Patientin Margarete W. in der Krankenkassenabrechnung als "Laparotomie" bezeichnet hatte. Beckers: "Ich hoffe, ich habe das Wort richtig ausgesprochen. Ich kannte es nämlich nicht und habe es bei Wikipedia nachschauen müssen - es bedeutet Bauchschnitt. Aber das ist doch wohl kein Verbandswechsel?"

Pier dazu: Er habe bei der Patientin eindeutig keinen Bauchschnitt vorgenommen, sondern in der Tat lediglich einen Verbandswechsel vorgenommen. Dafür aber gebe es keine konkrete Abrechnungsziffer für die Krankenkasse. Er vermute deshalb, dass möglicherweise eine Mitarbeiterin den Zahlenschlüssel für Laparotomie eingesetzt habe, weil sie dies für eine angemessene Einstufung gehalten habe.

Einen denkbaren Abrechnungsbetrug - ein Verbandswechsel wird von den Krankenkassen nicht gezahlt, ein Bauchschnitt hingegen sehr wohl - wies Pier sofort weit von sich: " "Wir sind da ja geprüft. Man konnte uns nichts nachweisen."

Der Prozess wird fortgesetzt.

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