Kirchenexperte Paul Metzger: „Bischof Müller passt in keine Schublade“

Kirchenexperte Paul Metzger über die Entscheidung des Papstes, den Bischof von Regensburg nach Rom zu holen.

Düsseldorf. Künftig wacht wieder ein Deutscher darüber, was es für Katholiken weltweit zu glauben und wie es zu leben gilt. Papst Benedikt XVI. berief dafür Ludwig Gerhard Müller, zuletzt Bischof von Regensburg, nach Rom. Wir sprachen mit Dr. Paul Metzger, Catholica-Referent des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim, über die Entscheidung.

Herr Metzger, wofür steht dieser neue, mächtige Präfekt der Glaubenskongregation?

Metzger: Zunächst ist Ludwig Gerhard Müller ein katholischer Bischof, der vorher Professor war. Müller ist ein überragend zu nennender Theologe, der sich streng auf der römisch-katholischen lehramtlichen Linie bewegt.

Was begründet seinen konservativen Ruf?

Metzger: Eben diese überzeugte Lehramtstreue. Doch man sollte sich hüten, Gerhard Ludwig Müller in eine Schublade zu stecken. Dass er sich für seine Doktorarbeit bei Karl Lehmann intensiv mit dem evangelischen Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer auseinandergesetzt hat, ist schon ungewöhnlich. Manchen irritiert auch, dass er offen mit der von Rom beargwöhnten kapitalismuskritischen lateinamerikanischen Befreiungstheologie sympathisiert und mit deren geistigem „Vater“, dem Peruaner Gustavo Gutiérrez, befreundet ist. Überdies soll einer der Bischöfe der traditionalistischen Piusbruderschaft Müller jüngst als „Häretiker“ (Irrlehrer) bezeichnet haben. Denen erscheint er als zu liberal. Sie sehen: Müller ist breit aufgestellt — und polyglott.

In Deutschland hat der künftige Kardinal scharfe Kritiker.

Metzger: Unbeliebt ist er bei denen, die mehr wollen, als das kirchliche Lehramt derzeit hergibt. Müller duckt sich nicht weg, er bezieht theologisch Position, immer mit vatikanischer Rückendeckung. Gegen die Ordination von Frauen. Gegen eine Lockerung des Zölibats, die wegen des akuten Priestermangels bei uns gefordert wird. Gegen die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion.

Nimmt Müller die Sorgen der Menschen denn nicht ernst?

Metzger: Doch. Nur ist der Blick aus dem deutschsprachigen Raum ein besonderer. Weltweit gesehen steigt die Zahl der katholischen Priester, global betrachtet wächst der Katholizismus.

Warum ist die Wahl für das dritthöchste Amt in der Kurie auf Bischof Müller gefallen?

Metzger: Sicher weil er eine persönliche Beziehung zum Papst hat. Benedikt XVI. hat ihm schon vor Jahren sein komplettes wissenschaftliches Werk anvertraut. Und dann braucht die Glaubenskongregation einen respektierten Theologen, der weltgewandt ist.

Konsequente Personalpolitik also.

Metzger: Benedikt XVI. schielt nicht danach, wen er bedienen kann oder wo ihm applaudiert wird. Er richtet sein Pontifikat theologisch aus. Da passt Erzbischof Gerhard Ludwig Müller.

Was heißt das konkret?

Metzger: Es ist diesem Papst wichtiger, dass die Kirche heilig ist, als dass sie sich auf die Welt einlässt.

Fraglich, ob das ankommt.

Metzger: Ja, da sind wir mit Prinzipien von Hierarchie und Autorität konfrontiert, die schwer zu vermitteln sind in unserer demokratisierten Gesellschaft.

Wird die Berufung Müllers Auswirkungen auf die katholische Kirche in Deutschland haben?

Metzger: Es wurde Zeit, dass wieder ein hochrangiger Vertreter der italienisch geprägten Kurie aus Deutschland kommt. Es ist gut, dass im Vatikan jemand ist, der die deutsche Problematik versteht.

Das bedeutet für die Ökumene. . .

Metzger: Bischof Müller vertritt klare katholische Positionen. Er hat sich als Fachmann für evangelische Theologie profiliert. Das ist nicht schlecht für den Dialog mit den Kirchen der Reformation.

. . . der als nächstes welches Thema angehen muss?

Metzger: Von evangelischer Seite besteht der Wunsch nach einer gemeinsamen Erklärung zu Amt und Abendmahl. Wenn die Taufe mittlerweile gegenseitig anerkannt ist, warum sind wir dann im Abendmahl noch getrennt?

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