Kaviar: Delikatesse aus der Urzeit

Einst als Viehfutter verwendet, kostet ein Kilo heute bis zu 2500 Euro. Doch was macht die Fischeier so wertvoll?

Arcachon. Störe haben keine Schuppen, keine Gräten, keine Zähne und seit 250 Millionen Jahren ein unverändertes Aussehen. Und: "Sie schmecken als Süßwasserfische ziemlich fade", sagt Heather Ducretot, Mitarbeiterin in der Störzuchtfarm "Le Moulin de la Cassadotte", nicht weit von Arcachon an der französischen Atlantikküste.

Ein langweiliger Fisch also? Ja, wenn da nicht der Kaviar wäre, das "schwarze Gold der Zaren".

Heute ist Wild-Kaviar eine Rarität, Zuchtkaviar die Regel. "Le Moulin de la Cassadotte" liegt in einem Waldgebiet nicht weit vom Meer. In der zwölf Hektar großen Anlage tummeln sich 70 000 Störe der Art Ascipenser Baeri, die in der 1970er Jahren aus Sibirien importiert wurde. 1985 begann man mit der Zucht der Störe und 1993 mit der Kaviarproduktion.

Die Betreiber achten auf eine möglichst naturbelassene und schonende Produktion - das heißt, die Fische haben in den Becken genug Platz, das Wasser stammt aus reinen Quellen, und die Kaviarproduktion wird nicht maximiert. Diese Störe bekommen keine Antibiotika. Wenn sie sterben, dann kaum an Bakterien. "Sie werden manchmal von Kormoranen gefangen oder auch Opfer von Wasserratten", sagt Ducretot.

Im kommenden Jahr sollen in der "Mühle" zwei Tonnen Kaviar produziert werden, etwa doppelt so viel wie in diesem Jahr. "Man könnte mehr produzieren, aber das ginge auf Kosten der Qualität." Bei einem Preis von 2000 bis 2500 Euro pro Kilogramm Kaviar lohnt sich die Mäßigung.

Es ist kein Zufall, dass die Störzucht ausgerechnet in Südwestfrankreich betrieben wird. Im 19. Jahrhundert schwammen wilde Störe in den französischen Flüssen, so wie übrigens auch in der Elbe in Deutschland. Auch damals wurden die Eier der Störweibchen verwendet: allerdings ganz profan als Köder für Aale, Futter für Enten, Tauben oder Schweine.

Es mussten erst die Russen kommen, um in Westeuropa aus dem Viehfutter eine Delikatesse für Gutbetuchte zu machen. Im Russland der Zaren war Kaviar schon lange als kulinarische Köstlichkeit beliebt. Im Zuge der Oktoberrevolution Anfang des 20. Jahrhunderts flohen viele Russen nach Frankreich.

Die schwarzen kleinen Eier, eisgekühlt, werden teelöffelweise goutiert. Ihren Geschmack zu beschreiben, fällt schwer, denn: "Man kann den Geschmack von Kaviar mit nichts vergleichen, es ist ein einzigartiges Produkt", sagt Ducretot. Leicht salzig, nicht wie Austern, und schon gar nicht wie ordinäre Fischeier, die in kleinen Glastöpfchen in Supermarktregalen angeboten werden.

Bildlich gesprochen: Kaviar drückt man mit der Zunge gegen den Gaumen, und richtig gut sind die Kügelchen, wenn sie ziemlich fest sind, also "al dente", und im Mund förmlich "explodieren". Als Getränk dazu passt Wodka, Champagner oder ein leichter Weißwein. Ein Tabu: Wer Kaviar mit Zitrone oder Zwiebeln versetzt, weiß nicht, was gut ist. Beluga Kaviar ist der feinste und teuerste.

Zur sachkundigen Kostprobe gehört der Grundsatz, Kaviar niemals auf einem Metall- oder Inox-Löffel in den Mund zu schieben. Nur auf Porzellan, Knochen oder Plastik, denn Metall oxidiert und schadet dem Geschmack. Gourmets servieren ihn auf Eis, mit Toast und leichter Butter, vielleicht mit einem Hauch frischer Sahne.

Teuer ist Kaviar auch wegen des nicht einfachen Vertriebs. Nur gekühlt behält er seine Qualität. Beim Versand, schön verpackt in dickem Eisbeutel, darf die Kühlkette zu keinem Zeitpunkt unterbrochen werden.

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