Jahrzehnte in der Todeszelle: Debra Milke gegen Kaution frei

Washington (dpa) - 22 Jahre saß Debra Milke in einer Todeszelle in den USA - jetzt ist die gebürtige Deutsche zumindest vorläufig wieder auf freiem Fuß.

Lächelnd, aber zugleich nervös und ängstlich verließ die 49-Jährige am Freitag ein Gefängnis in Phoenix im US-Bundesstaat Arizona, wie der Lokalsender 12News berichtete. Milke war 1991 für schuldig befunden worden, 1989 zwei Männer zur Ermordung ihres vierjährigen Sohnes angestiftet zu haben.

Ein Berufungsgericht in San Francisco hatte das Todesurteil im vergangenen März aufgehoben: Es gebe keine direkten Beweise oder Augenzeugen, die Milke mit der Tat in Verbindung gebracht hätten. Jetzt soll es einen neuen Prozess geben. Rechtsexperten sehen eine gute Chance, dass Milke endgültig frei kommt.

Als Schlüssel gilt, ob die stark umstrittenen Aussagen eines Hauptbelastungszeugen, nach der Milke die Tat gestanden haben soll, im Prozess erneut zugelassen werden. Eine Entscheidung darüber könnte Ende September oder Anfang Oktober fallen. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Staatsanwaltschaft auf einen neuen Prozess verzichtet, sollte die Zeugenaussage gestrichen werden.

Der Sender CBS5 zitierte einen privaten Ermittler und Ex-Polizisten mit den Worten, er glaube, dass Milke auf Dauer frei komme. Er habe intensiv nach jedem Stück Beweis gefahndet, sagte Paul Heubl demnach. „Ich habe gesucht und gesucht und konnte nie auch nur einen Fitzel Beweis finden, der sie mit dem Verbrechen in Verbindung bringen würde.“

Anwalt Michael Kimerer holte Milke am Freitag aus dem Gefängnis ab, nachdem eine Kaution in Höhe von 250 000 Dollar (etwa 190 000 Euro) hinterlegt worden war - möglicherweise von Milkes Mutter und anderen Unterstützern. Laut „Bild am Sonntag“ hält sich die 49-Jährige bei einem Todesstrafengegner in der Nähe von Phoenix auf.

12News zufolge wurde Milkes Mutter Renate Janka am Sonntag in der Stadt erwartet, um ihrer Tochter erstmals seit vielen Jahren wieder ganz nah zu sein. Der „Bild am Sonntag“ hatte sie vor der geplanten Abreise gesagt: „Ich kann es kaum erwarten, Debbie in meine Arme zu schließen. Ich will sie endlich wieder riechen und berühren können.“
Janka, die ein Buch über den Fall geschrieben hat, kämpft seit Jahren für ihre Tochter - unterstützt von Prominenten wie Uschi Glas, Günther Jauch und Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker.

Die Freilassung war am Donnerstag von einer Richterin verfügt worden. Der neue Prozess soll nach bisheriger Planung am 30. September beginnen, eine Verschiebung gilt aber als gut möglich.

Milke bleibt bis zu einem etwaigen neuerlichen Schuldspruch auf freiem Fuß, allerdings mit Auflagen. So wurde ihr dem Sender 12News zufolge gleich nach der Freilassung in der Kanzlei ihres Anwalts eine Fußfessel mit einem Gerät angelegt, das es ermöglicht, ihren Aufenthaltsort jederzeit festzustellen.

Außerdem gelte für sie eine nächtliche Ausgangssperre von 21 Uhr bis 6 Uhr morgens. Milke dürfe auch keinen Alkohol trinken und müsse sich von ihrem Ex-Mann fernhalten, der sich überzeugt von ihrer Schuld geäußert hat. Richterin Rosa Mroz hatte dagegen ihre Entscheidung für eine Kaution damit begründet, dass Milke gute Chancen habe, in dem neuerlichen Prozess endgültig freizukommen.

Ein an den Ermittlungen beteiligter Polizist hatte im ursprünglichen Prozess ausgesagt, dass Milke ihm die Mitschuld an dem Mord gestanden habe. Für diese Behauptung gibt es aber weder Beweise noch Zeugen. Der Beamte hatte überdies seitdem in anderen Fällen vor Gericht falsch ausgesagt. Die Anhörung darüber, ob seine Aussage zugelassen wird, ist bisher für den 23. September geplant. Sie könnte sich aber bis Anfang Oktober verzögern.

Das Urteil gegen Milke war stets umstritten, weil es fast ausschließlich auf den Aussagen des Ermittlers über das angebliche Geständnis basierte, das Milke nie abgelegt haben will. „Ich bin unschuldig“, hatte sie etwa in einem Interview der Lokalzeitung „New Times“ beteuert. Ihr Ex-Mann sagte dem TV-Sender Fox News, Milke sei hinter Gittern besser aufgehoben.

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