Internationale Medien: Wie die Welt auf Winnenden blickt

Das Schul-Massaker machte rund um den Globus Schlagzeilen. TV-Stationen mit Sondersendungen.

Düsseldorf. Es sollte ein Abschied sein, den die Welt so schnell nicht vergisst. Das Schulmassaker von Winnenden mit seinen 15 unschuldigen Opfern machte Schlagzeilen rund um den Globus: Kaum eine Zeitung in Europa, die nicht mit einem Foto auf der Frontseite über den unfassbaren Amoklauf berichtete, kaum ein TV-Sender auf der Welt, der nicht mit Sondersendungen die Namen Winnenden und Tim K. noch in den letzten Winkel trug.

Ein später, geradezu kalkulierter Triumph des jugendlichen Verbrechers, ein Ausrufezeichen über den Tod hinaus. Aber niemand in der Medienwelt konnte sich den schrecklichen Bildern entziehen. Das Monströse des Verbrechens sprengte unsere Vorstellungen: Ein 17-Jähriger, ein Kind fast noch, löscht in einer Orgie der Gewalt wahllos seine Mitschüler und am Ende sich selbst aus.

Sogar die alt-ehrwürdige Londoner "Times" brachte am Donnerstag ein blatthohes Bild des freundlich lächelnden Amokläufers auf der Titelseite. Unter dem Bild der lakonische Zweizeiler: ,"Seid Ihr immer noch nicht alle tot?’ Das war das einzige, was er sagte." Im Inneren des Blattes setzte die "Times" auf zwei Seiten ihre Berichterstattung fort.

So wie die Londoner Zeitung hielten es die meisten Blätter in Europa. Selbst im arabischen Raum erschien kaum eine Zeitung ohne ein Bild von Winnenden auf ihrer Frontseite. Lediglich in Nordamerika stand das Blutbad in Winnenden im Schatten des Amokläufers von Alabama, der die deutsche Tragödie auf hintere Seiten verdrängte.

Was für die Printmedien gilt, trifft auch auf die TV-Sender zu. Internationale Nachrichtensender wie CNN, CNBC oder Russia Today nahmen schon am Mittwoch Sondersendungen ins Programm. Auch am Donnerstag gehörte Winnenden noch zu den Top-Meldungen. Die Sender bedienten sich dabei überwiegend des Materials, das ihnen von deutschen Partnern zur Verfügung gestellt worden war.

Russia Today, ein englischsprachiges russisches Gegenstück zum US-amerikanischen CNN, spielte dabei auch immer wieder das Handy-Video von YouTube ein, das die letzten Minuten des Amokläufers auf dem Parkplatz von Wendlingen zeigt. Deutsche Fernsehanstalten, zumindest die öffentlich-rechtlichen, hatten auf die Ausstrahlung dieses Amateur-Videos weitgehend verzichtet.

CNN schickte noch am Donnerstag ein Team unter Führung des Berliner Büroleiters Frederik Pleitgen nach Winnenden. Pleitgen, ein Sohn des früheren WDR-Intendanten Fritz Pleitgen, stellte eigene Interviews ins Programm. Der US-Sender wie auch Russia Today machten bei ihrer Berichterstattung vor allem die sonderbare Häufung von 15 Handfeuerwaffen im Haus der Eltern des Amokläufers zum Thema.

Am Freitag verdrängte der Prozessbeginn gegen den New Yorker Milliarden-Schwindler Madoff das Massaker von Winnenden in den internationalen Medien vom Spitzenplatz. Aber nach Madoff und der Terroristen-Festnahme in Amsterdam blieb Winnenden bei CNN beispielsweise immer noch mit einem dreiminütigen Pleitgen-Beitrag auf Platz drei - noch vor der Comeback-Tour des "King of Pop" Michael Jackson.

Der Massenmord eines kranken Teenagers als globale Medien-Sensation ist natürlich nicht unproblematisch. Einerseits ist das Verbrechen so singulär und unfassbar, dass es eine breite Berichterstattung erzwingt. Die Medien versuchen damit ja auch, die scheinbar aus den Fugen geratene Welt durch Erklärung und Einordnung begreifbar zu machen, sozusagen wieder "einzurenken". Andererseits erfüllt sich damit aber auch das Ziel des Täters: Im Moment seines Todes die Aufmerksamkeit zu gewinnen, die ihm - wie er glaubte - zuvor verweigert worden war.

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