Heiliger Krieg im Sauerland

Das Verfahren gegen vier junge Männer vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf geht in dieser Woche in die letzte Runde.

Düsseldorf. Als einer der größten Terrorprozesse in der Geschichte Deutschlands war das Verfahren gegen die islamistische "Sauerland"-Gruppe gestartet. Dank der Auskunftsbereitschaft der vier angeklagten Islamisten ist die Verhandlung von etwa zwei Jahren auf nur noch etwa zehn Monate zusammengeschnurrt. Mit den Plädoyers der Bundesanwaltschaft geht der "Sauerland"-Prozess in dieser Woche in die letzte Runde.

Am 4. März soll dann das Urteil gegen die Männer gesprochen werden, die - minutiös überwacht von den Sicherheitsbehörden - in einem Ferienhaus in Oberschledorn im Sauerland aus 730 Litern Wasserstoffperoxid gewaltige Autobomben bauen wollten. Sie hatten US-Kasernen, Flughäfen, Diskotheken und Gaststätten im Visier. Vor der Abstimmung im Bundestag über den Afghanistan-Einsatz sollte sich eine Schneise des Terrors durch Deutschland ziehen.

Wenige Wochen nach Prozessbeginn im April 2009 kündigten die Angeklagten Fritz Gelowicz (30), Adem Yilmaz (31), Daniel Schneider (24) und Atilla Selek (24) angesichts hunderter Aktenordner Beweismaterial an, ihr anfängliches Schweigen zu brechen. Der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling forderte "Butter bei die Fische" und stellte Strafrabatt in Aussicht. Der Umfang der folgenden Geständnisse - mehr als 1200 Seiten - beeindruckte sogar den erfahrenen Richter.

"Hauptsache Dschihad" war das Motto der in Multikulturzentren in Deutschland radikalisierten jungen Männer. Eigentlich wollten die angehenden Gotteskrieger nach Tschetschenien, landeten schließlich aber bei der Islamischen Dschihad-Union (IJU) im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Von dort wurden sie mit dem Auftrag zurückgeschickt, den islamistischen Terror nach Deutschland zu tragen.

Während die deutschen Terror-Schüler hinter Panzerglas im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Interna zum Dschihad (Heiliger Krieg) ausplauderten, wurden die Anführer der IJU in den Bergen Waziristans von unbemannten US-Drohnen offenbar gezielt getötet.

Mit Haftstrafen von zwölf Jahren und mehr müssen die Wortführer Gelowicz und Yilmaz rechnen. Unklar ist, wie das Gericht die Rolle Seleks einstuft, der in der Türkei die Bombenzünder beschaffte und die Flucht organisieren sollte. Im Prozess war er bemüht, sich als Randfigur des Geschehens darzustellen.

Die höchste Strafe droht dem Jüngsten: Daniel Schneider, der sich als einziger auch wegen versuchten Mordes verantworten muss. Der Saarländer hatte im Herbst 2007 bei der Festnahme der Gruppe durch die Spezialeinheit GSG 9 vor den Augen der schwer bewaffneten Beamten barfuß aus dem Ferienhaus flüchten können. Als ihn ein BKA-Beamter ergriff, riss er dessen Waffe aus dem Holster - dann fiel ein Schuss, der ins Leere ging. Einen Mordversuch bestreitet er aber.

Der Konvertit aus zerrütteten Familienverhältnissen, der einst in den brasilianischen Urwald auswandern wollte, ist nach Ansicht der Gutachter "ein eher braver Mensch". Am wenigsten gaben Selek und der Anführer der Gruppe, Gelowicz, von sich preis. Gutachter bescheinigen dem gescheiterten Gymnasiasten Gelowicz "Narzissmus" und einen Hang zur Großspurigkeit.

Ganz anders der Deutschtürke Yilmaz: Er fiel im Prozess durch Flegelhaftigkeit und wüste Beschimpfungen auf - für die Gutachter ein "pubertär-trotziges Verhalten". Markige Sprüche schnitten die Ermittler auch in den verwanzten Mietwagen mit. "Deutschland sucht den Superterroristen", feixte Yilmaz einmal - und schwärmte für den Dschihad: "Wichtig ist, da müssen welche sterben."

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