Hausmeisterin findet wertvollen Silberschatz

Passau (dpa) - Es klingt wie im Märchen: Eine Hausmeisterin inspiziert ihren Arbeitsplatz - und stößt auf einen wertvollen Schatz. In Passau ist genau dies der 43-jährigen Tanja Höls passiert. Unter verstaubten Büchern fand sie in der Staatlichen Bibliothek einen Silberschatz.

In einem Kästchen lagen wertvolle Münzen, die ältesten aus der Römerzeit. „Ich kannte die Schatulle zwar, hatte aber noch nie hineingeschaut“, schilderte Tanja Höls am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa ihren Fund. „Aber dann hat mich doch die Neugierde gepackt.“

Bibliothekschef Markus Wennerhold überlegt bereits, wie er der erst seit April dieses Jahres bei ihm beschäftigten Mitarbeiterin danken soll. Er bestätigte einen Bericht der „Passauer Neuen Presse“ (Mittwoch), wonach die Münzen nach seiner Schätzung einen Wert im sechsstelligen Euro-Bereich haben. „Es ist sensationell, einen solchen Schatz im Archiv zu finden“, sagte er dem Blatt.

Höls kommt regelmäßig in die Magazinräume im 4. Stock des historischen Gebäudes, die neben alten Möbeln auch ein ausgestopftes Krokodil beherbergen. Die 43-Jährige gibt zusätzlich zu ihrer Hausmeistertätigkeit auch Bücher aus dem Magazin an Bibliothekskunden aus. Beim Öffnen der Holzschatulle stieß sie auf mehrere kleine Schubladen. „Ich zog eine der Schubladen heraus, und da lächelten mich ganz freundlich ein paar Münzen an“, berichtete sie. „Ich ging sofort zum Chef, sagte ihm Bescheid und er bat mich, ihm das Kästchen zu bringen.“ Der erstaunte Bibliotheksleiter zählte 172 Münzen und Medaillen, die meisten davon in Silber.

Das ist zwei Wochen her. Inzwischen weiß Wennerhold mehr über den wertvollen Fund. Nach seiner Kenntnis stammt die Schatulle aus dem 18. oder 19. Jahrhundert. Die darin verwahrten Silberlinge dürften Teil der alten fürstbischöflichen Münzsammlung sein. Die Gedenkmedaillen waren seinerzeit wohl als Geschenke gedacht, die Münzen Zahlungsmittel wie heute auch.

So enthält die Sammlung Silberdenare aus der Hoch- und Spätantike, als die Römer in Passau waren. Eine der Münzen zeigt den spätantiken Herrscher Agrippa (63 v. Chr. - 12 v. Chr.). Auf einer Gedenkmedaille ist Erzherzog Leopold II. zu sehen, Gründer des Passauer Jesuitenkollegs und 1598 bis 1625 Fürstbischof von Passau. Eine andere bildet Papst Innozenz XI. ab. Eine Krönungsmedaille ist Georg Ludwig Herzog zu Braunschweig und Lüneburg (1660-1727) gewidmet.

Nach Angaben des Bibliotheksleiters handelt es sich um sehr gut erhaltene Münzen, die von der Römerzeit bis in die Jahre Napoleons reichen. „Sie sind völlig unberührt und in perfektem Zustand“, sagte Wennerhold, „als wenn sie gestern geprägt worden wären.“ Darunter befinden sich auch sehr wertvolle Schmuckmedaillen aus dem Barock und ein Unikat zur Gründung der Passauer Jesuitenkirche. Andere Münzen kann er zunächst zwar nicht zuordnen, hofft aber auf Hinweise aus der Region. Er fände es prima, wenn Münzexperten auf ihn zukommen würden.

Wennerhold vermutet, dass die Münzen in Zeiten der Säkularisation um das Jahr 1803 versteckt wurden, um sie am Ort zu halten. Damals wurden viele Kirchenschätze in Archive der Landeshauptstadt gebracht. „Alles wurde eingesackt und kam nach München“, sagte Herbert Wurster vom Passauer Diözesanarchiv der „Passauer Neuen Presse“.

Den genauen materiellen Wert kann die Staatliche Bücherei erst nach Begutachtung durch einen Numismatiker beziffern. Wennerhold hat aber bereits herausgefunden, dass es eine Münze aus der Barockzeit auf Auktionen durchaus auf mehrere tausend Euro bringen kann - vom ideellen Wert des Fundes ganz abgesehen. Inzwischen weiß er auch, dass sein Vorgänger die Münzsammlung bereits kannte, dem Fund aber weiter keine Bedeutung beimaß. Das Schatzkästlein sei vom Personal der Bibliothek auch regelmäßig abgestaubt worden.

Der Leiter der Staatlichen Bücherei hat indessen keine Angst, dass er den sensationellen Fund wie bei der Säkularisation vor über 200 Jahren an eine übergeordnete Stelle abgeben muss. Zwar sei der Generaldirektor von Bayerns staatlichen Bibliotheken bereits informiert, aber „die Zeiten sind andere“, ist sich Wennerhold sicher. „Heute ist es undenkbar, dass die Schätze weggehen.“ Er will die Münzen schon bald einzeln abfotografieren lassen und die Bilder auf die Homepage der Bibliothek stellen.

Der wertvolle Münzfund dürfte auch ein Glanzpunkt der Ausstellung werden, die zum 400-jährigen Bestehen der Bibliothek im nächsten Jahr geplant ist. Wennerhold überlegt, aus diesem Anlass eine neue Gedenkmünze prägen zu lassen. „Wir stehen da in bester Tradition“, sagte er der Zeitung. Die erst vor kurzem ins Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommene ehrliche Finderin soll indessen eine angemessene Belohnung erhalten. Das Beamtenrecht sehe dafür entsprechende Leistungen vor, erläuterte Wennerhold. „Auf alle Fälle werde ich Frau Höls zum Essen einladen“, versprach er.

Die Bibliothek in der niederbayerischen Drei-Flüsse-Stadt geht auf das Jahr 1612 zurück und gilt als eine der ältesten öffentlichen Büchersammlungen Deutschlands. Sie ist auf Veröffentlichungen zur Theologie und das sogenannte Emblembuch des 16. und 17. Jahrhunderts spezialisiert.

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