Happy-End nach 68 Jahren

Dorothy und Harold mussten sich 1941 in Kapstadt trennen. Jetzt genießen sie ihre gemeinsame Zeit in England.

London. Dorothy Eastwood hat diesen Tag nie vergessen. 1941, ein staubiger Bahnsteig in Kapstadt: Tränenreich verabschiedet sie sich von dem Offizier Harold, der zum Einsatz in den Nahen Osten aufbricht. Ihre kurze Romanze endet hier, ihre Wege verlieren sich. Doch Dorothy gibt nicht auf. Nach 68 Jahren hat sie Harold endlich wiedergefunden.

An Bord eines Dampfers Richtung Afrika haben sie sich verliebt: Der 20-jährige Leutnant ist auf dem Weg von Liverpool nach Suez, die 18-jährige Dorothy aus London will in Südrhodesien, der ehemaligen britischen Kolonie, ihr Glück suchen. "Sie bat uns eines Abends um Hilfe", sagt Harold, "ein betrunkener Matrose war in ihre Kabine eingebrochen und machte sich über eine Mitreisende her."

Den Bösewicht soll er zügig an die frische Seeluft befördert haben, so erinnert sich zumindest die dankbare Dorothy. Harold, heute 89, kann sich daran kaum daran entsinnen, so hingerissen ist er bei der ersten Begegnung. "Was soll ich sagen", seufzt er, "Dorothy sah einfach gut aus. Sie lachte viel. Sie war blond. Und blonde Frauen haben mir immer gefallen."

Sechs Wochen schippern sie übers Meer, verdrängen den Gedanken an den Abschied. "Doch wir mussten vernünftig sein", sagt er. "Ich war auf dem Weg in einen Krieg, die Chancen auf ein gemeinsames Leben waren klein." Dorothy verlässt den Dampfer in Kapstadt, schickt Harold ein sehnsuchtsvolles Telegramm hinterher. Die Depesche, wie auch ihre anderen Briefe, hat er bis heute verwahrt. Vier Jahre später wird aus Ms. Eastwood eine Mrs. Crombie. Auch Harold heiratet: "Das hat unsere Korrespondenz ziemlich ausgebremst."

68 Jahre vergehen, zwei Leben ziehen vorbei - seines in England, ihres in Simbabwe. Vergessen hat Dorothy ihr "Sweetheart" aus Jugendzeiten jedoch nie. Immer wieder sucht die Witwe ihn - ohne Erfolg. Dann schreibt Harolds Sohn Martin einen Leserbrief an die Zeitung "The Times" über nette Taxifahrer. Im fernen Afrika blättert Dorothy in ihrer alten Heimatzeitung, sieht in dem Namen Pettinger einen Wink des Schicksals.

"Sie ahnte, dass Martin mein Sohn ist", sagt Pettinger Senior, "so häufig gibt es unseren Namen nicht." Über die Times besorgt sie sich im November Martins Telefonnummer. Der muss "die Frau von diesem Schiff" erst einmal bremsen: "Ich konnte nicht zulassen, dass sie meinen Vater sofort anruft. Er hätte ja einen Herzinfarkt bekommen."

Die beiden entdecken, dass sie mittlerweile nur 40 Kilometer voneinander entfernt wohnen. "Dorothy war wegen der Sicherheitslage in Simbabwe soeben nach England zurückgekehrt", sagt Harold amüsiert. Um 10 Uhr morgens verabreden sie sich, bis 19 Uhr plaudern sie ohne Pause. Und so geht das jedes Mal.

"Wir sind jetzt natürlich zwei ganz andere Menschen als damals", erklärt er. "Auf der Straße hätten wir uns nicht wiedererkannt, aber wenn wir reden, ist alles so wie früher." Sohn Martin hat Silvester erstmals auf seinen Vater verzichten müssen. Der 89-Jährige wollte lieber zu Dorothy, und zwar allein.

Fürs große Happy End fehlt nur noch eine Kleinigkeit, doch Harold winkt energisch ab. "Eine Hochzeit kommt nicht in Frage", sagt er, "wir sind doch schon alt, ja, uralt." Sie wollen sich nur ab und zu treffen und über das Wunder ihres Wiedersehens staunen. Ihre Botschaft geben sie den Romantikern dieser Welt aber mit auf den Weg: "Wenn ihr Eure alte Liebe wiedersehen wollt, dann sucht sie weiter. Gebt die Hoffnung nie auf!"

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