Großes Aufräumen nach dem Wirbelsturm

Im Viersener Ortsteil Boisheim sind bis zu 50 Häuser beschädigt. Aber es gibt nicht nur Sachschäden. Auch die Menschen stehen noch unter dem Eindruck des Tornados.

Großes Aufräumen nach dem Wirbelsturm
Foto: Günter Jungmann

Viersen. Der Tornado hat Spuren hinterlassen. Auch bei den Menschen. Am frühen Donnerstagmorgen tritt eine Frau aus ihrem Haus in Viersen-Boisheim, geht auf die Siedlungsstraße und schaut unbewegt auf das Hausdach. Neben ihr ein Schuttberg aus zerbrochenen Ziegeln. Der Wirbelsturm hat große Löcher ins Dach gerissen. Wie aus Wunden quillt die gelbe Dämmung hervor. „Man sieht ja, was passiert ist“, beugt sie Fragen vor. Sie wirkt verstört. Ihr Blick ausdruckslos. „Das wird schon wieder“, sagt sie. Ohne Zuversicht. Und geht wieder rein.

Großes Aufräumen nach dem Wirbelsturm
Foto: Günter Jungmann

Es ist der Morgen, nachdem der Tornado die Menschen in Boisheim mit seiner unglaublichen Kraft aus den Alltag gerissen hat. Nach Angaben der Stadt sind in dem Viersener Ortsteil bis zu 50 Häuser beschädigt — in vier oder fünf Straßen, wie sich am Morgen danach zeigt. Reihenweise sind Dächer aufgerissen, Klinker von der Wand geholt, Fenster eingedrückt und aus der Verankerung gerissen, alte Bäume umgelegt. Ein Wohnwagen hängt halb in einem Baum. Der Wirbelsturm hat auch die Menschen erschüttert.

Großes Aufräumen nach dem Wirbelsturm
Foto: Freiwillige Feuerwehr Gangelt/dpa

Der Sohn von Monika Bohnen in einem Anruf nach dem Sturm

Menschen wie Monika Bohnen. Sie ist am Vorabend gegen 18 Uhr, als das Unglück über Boisheim kommt, mit ihrem Mann unterwegs. Dann der Anruf des Sohnes: „Kommt schnell nach Hause, es ist etwas ganz Schlimmes passiert.“ Zu Hause dann der Schock: Große Teile des Daches sind abgedeckt, der Garten ist verwüstet. „Mein Sohn hat den Tornado kommen sehen. Das ganze Haus hat gebebt. Er hat sich im Badezimmer verkrochen. Man ist doch so hilflos.“ Die Frau hat kaum geschlafen. Das Schlimmste sei die Angst vor dem nächsten Unwetter, sagt sie. Der Wirbelsturm hat nicht nur Dinge kaputtgemacht.

Der Wetterunternehmer Jörg Kachelmann spricht auf seiner Internetseite von einem sehr eindrucksvollen Tornado. Videos im Internet zeigen, wie sich ein gigantischer dunkler Rüssel durch die Landschaft schraubt. Ein Autofahrer filmt die unmittelbare Kraft.

Angst? Ein Mann in Boisheim, der früh morgens Dachziegel zusammenfegt, sagt knapp: „Da hatten wir keine Zeit zu. Das kam und war auch schon wieder weg. Ich habe noch versucht, die Rollos runterzulassen“, zeigt er zum Fenster im ersten Stock mit dem schief in der Führung hängenden Rollladen.

Auch Rudolf Amende hat es getroffen. Er erzählt von der Verwirrung des ersten Moments: „Wir wussten erst nicht, was passiert.“ Seine Frau Tilly wollte noch schnell ihr neues Auto in die Garage stellen. Aber da kam sie schon nicht mehr zur Haustür raus. „Vielleicht war es Glück“, sagt sie. Dachziegel fallen da schon reihenweise vom Dach, ein Fenster wird ins Haus gedrückt, Splitter einer Fensterscheibe landen im Bett. Die Vogelvoliere draußen im Garten — ein Trümmerhaufen, die Kanarienvögel weg. Das neue Auto, so gut wie hin. Aber die Amendes sind heil.

Anders als die beiden Männer in Nettetal, die am Mittwochabend verletzt werden: Ein Feuerwehrmann erleidet einen Stromschlag. Und ein Autofahrer wird beim Aussteigen von herunterfallenden Baumästen schwer verletzt.

In Boisheim trauert Oskar Jalda. Sein Hausdach hat viel abbekommen, auch der Wintergarten. Aber er trauert um seine prächtigen Obstbäume, die der Wirbelsturm umgelegt hat. Trotz der beeindruckend starken Wurzeln, die jetzt auf der Wiese liegen. Er wird keine neuen Bäume mehr setzen: „Bis die tragen, bin ich bei Petrus“, sagt der 88-Jährige und lächelt.

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