Grieth am Niederrhein: Ein Dorf kämpft ums Überleben

Keine Läden, kaum junge Leute — dem Städtchen Grieth droht der Leerstand. Forscher wollen helfen.

Grieth am Niederrhein: Ein Dorf kämpft ums Überleben
Foto: dpa

Kalkar. Sechs Kneipen, Metzger, Bäcker, einen Gemischtwarenladen — sogar eine Pommesbude hatte es mal in dem alten Fischerdorf Grieth am Niederrhein gegeben. Die Einwohnerzahl liegt jetzt stabil bei rund 800. Aber wenn man den 17-jährigen Carl Becker so erzählen hört, dann könnte sich das in den nächsten Jahren ändern: „Die in der Stufe über mir wollen alle nicht hierbleiben“, erzählt der Schüler. Er selbst auch nicht. Er hat mit der Familie in Karlsruhe gelebt, bevor sie nach Grieth gezogen ist. „So kleine Orte sind beschränkt“, sagt Carl.

Grieth ist ein charmant wirkendes Fischerdorf direkt am Rhein mit mittelalterlichen Häusern und schönen Gassen. Am Wochenende kommen viele Tagestouristen hierher. Die fahren aber abends auch wieder nach Hause. Denn in Grieth gibt es nicht einmal mehr eine Kneipe. Bewohner wie Birgit Mosler machen sich deshalb Gedanken über die Zukunft ihres Dorfes. Beim Spaziergang durch die Gassen deutet sie auf Häuser, denen man nicht direkt ansieht, dass sie leerstehen. „Wir müssen jetzt gucken was in zehn Jahren wird. Wenn wir nichts tun, dann gibt es Straßen, da werden 15 bis 20 Prozent der Häuser leerstehen“, sagt Mosler.

Die Frau lebt seit 16 Jahren in Grieth. Sie ist so was wie die Schnittstelle zwischen den Dorfbewohnern und der Hochschule Rhein-Waal. In dem Projekt „Smart Villages“ suchen Wissenschafter und Studenten fachübergreifend nach Lösungen, damit Dörfer wie Grieth eine Zukunft haben. Die Erkenntnisse sollen auch anderen Dörfern helfen, etwa wenn es um die Frage geht, unter welchen Bedingungen sich ein Dorfladen rechnet.

Michael Schaloske kennt das Problem leerstehender Häuser auf dem Land. In Nordrhein-Westfalen seien viele Orte betroffen, beispielsweise in der Eifel, in Wittgenstein oder in Ostwestfalen. Gardinen und Plastikblumen in den Fenstern seien oft Kosmetik, sagt der Leiter des Zentrums für ländliche Entwicklung am Umweltministerium. Tatsächlich lebe in vielen Häusern längst keiner mehr.

Oft verließen junge Leute ihr Heimatdorf zur Ausbildung. „Wenn sie zurückkommen, dann ziehen sie in den nächst größeren Ort mit Bäcker, Metzger und Laden“, sagt Schaloske. Die Einwohnerstatistik von Großgemeinden habe das lange kaschiert, weil die ja nicht die Zahl der einzelnen Orte aufschlüssele.

In Kommunen mit vielen Ortsteilen sehe das dann oft so aus: „Der Zentralort boomt. Der hat sogar einen Bevölkerungszuwachs. Zwei, drei Orte stagnieren, und wieder andere Dörfer sind leider auf dem absteigenden Ast“, sagt Schaloske. Aber seine Erfahrung ist: In einer aktiven Dorfgemeinschaft gibt es immer gute Ideen, um ein Dorf lebenswert zu machen. Das könne viel bewirken.

„Wir müssen versuchen, eine Aufbruchstimmung zu schaffen“, sagt auch der Sprecher des Projektes in Grieth, Professor Rolf Becker, der Vater des abwanderungswilligen Carl. Einen Fragebogen haben immerhin 140 von 300 Haushalten beantwortet.

Demnach setzen die Griether folgende Prioritäten: Gründung eines Dorfladens, eine schnellere Internetleitung. Und dann gibt es das Problem mit den schlechten Busverbindungen: Könnte da ein Bürgerbus oder eine Mitfahrzentrale helfen? Die Forscher wollen Ideen mit den Bürgern entwickeln. Becker bezeichnet Grieth als Feldlabor, in dem auch Perspektiven für andere Dörfer entstehen sollen. Ein Dorfladen ist mittlerweile in Vorbereitung. Und die Kneipe „Alt Grieth“, die die Forscher nicht auf dem Plan hatten, soll auch bald wieder öffnen — nach vier Jahren Leerstand.

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