Glühwein an der Themse - deutsche Weihnachtsmärkte in England

Auf der Insel gibt es mittlerweile viele Weihnachtsmärkte deutscher Art. Die Briten sind begeistert.

London. Mit Holzbuden, Glühwein und schönem Schnickschnack erobern immer mehr deutsche Weihnachtsmärkte das Herz Großbritanniens. Mehr als fünf Millionen Besucher in sechs Städten erwarten die Organisatoren bis zum Jahreswechsel. Dass deutsche Tradition so trendy sein könnte, hätten die Pioniere nie gedacht. Doch für Briten ist die Sache klar: Weihnachten kann keiner so gut wie die Teutonen.

„Mit 25 Ständen haben wir hier vor vier Jahren angefangen“, sagt Alessa Lovegrove, „jetzt sind es 67. Und wir können uns vor Anfragen kaum retten.“ South Bank, jenes Uferstück zu Fuße des berühmten Londoner Riesenrads, beherbergt nicht den einzigen, authentisch deutschen Weihnachtsmarkt. Im mittelalterlichen Canterbury hat die Kölnerin einen zweiten Standort fürs Adventsshopping „German Style“ eröffnet. Und Kurt Stroscher von der Stadt Frankfurt exportiert die Idee sogar bis nach Manchester, Leeds und Edinburgh in Schottland. Sein Prototyp in Birmingham, Frankfurts Partnerstadt, ist der größte deutsche Weihnachtsmarkt außerhalb Deutschlands.

„1997 haben wir in Birmingham ein paar Stände als kleine Geste aufgestellt, mit der wir den Städtepartnern unsere Bräuche näher bringen wollten“, erinnert sich Stroscher. Manches sei noch immer so wie beim ersten Weihnachtsmarkt vor 14 Jahren: „Die Leute sind so unglaublich dankbar, dass sie im Winter nicht mehr nur im Haus hocken müssen, sondern draußen etwas entdecken können“, sagt Stroscher, „manche sehen aus, als hätten sie das achte Weltwunder vor Augen.“

3,5 Millionen Besucher hat er 2010 dank englischer Videoüberwachung allein in Birmingham gezählt. Er schätzt, dass jeder rund 20 Pfund ausgibt. Weil auch britische Kreative die Adventsmärkte als neue Absatzmärkte entdecken, wachsen sie jedes Jahr Straße um Straße.

Am Glühweinstand in London gibt es eine Weihnachtsmarkt-Lektion für Fortgeschrittene: Die Verkäuferin erklärt zwei japanischen Touristen, dass sie den Becher — natürlich gibt es auch Sammeltassen vom Londoner Weihnachtsmarkt — behalten dürfen.

„Nicht alle deutschen Klassiker funktionieren“, resümiert Alessa Lovegrove, „Reibekuchen waren ein Flop, geschnitzte Holzkrippen leider auch.“ Anderes musste einfach ein wenig an die englische Mentalität angepasst werden: Flammkuchen findet auf dem Weihnachtsmarkt als „German Pizza“ reißenden Absatz. Stroscher freut sich: „Man hat in Großbritannien gut gelernt, dass ein deutscher Weihnachtsmarkt ein Ort der Begegnung ist, ein Treffpunkt für Freunde. Flanieren und weg, das war einmal.“

Penibel wachen die Organisatoren über ihr inoffizielles Patent auf Weihnachtsvorfreude im deutschen Format. Die Dekoration ist festlich-bescheiden. Stroscher bringt es auf den Punkt: „Weißes Licht. Holzbuden. Fertig. Ich will hier nicht so ein ‚Swinging Christmas’ mit Diskobeleuchtung wie in den USA.“ Exotischer als Nussknacker und Kräuterpastillen kann es für Briten ohnehin kaum noch werden.

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