Gin - die Rückkehr eines Klassikers

Der Gin ist wieder in. Die älteste Brennerei Londons öffnet deshalb auch für Besucher.

London. Sie sind ein historisches Paar, das sich lange gar nicht gut vertrug: Gin und London gehören zusammen, auch wenn ihr Verhältnis kompliziert ist.

Doch zurzeit erlebt das Duo einen wahren Höhenflug: Gin gilt plötzlich als schick und Londons größte und älteste Destillerie will ihre Manufaktur noch dieses Jahr für Besucher öffnen. Sie erwartet dort eine ordentliche Prise Wacholderduft und Stadtgeschichte.

Londons Hipstern mit ihrer Liebe zu den verflossenen Traditionen der Fifties und Sixties ist es zu verdanken, dass das Getränk eine wahre „Ginaissance“ erlebt: Pubs richten in Hinterzimmern „Boutique-Destillerien“ ein, Barmixer entdecken das Enfant Terrible der Londoner Slums neu für sich.

Die Neugier spürt man auch bei Beefeater, der letzten verbliebenen Groß-Brennerei, die bislang in einer ehemaligen Gurkenfabrik südlich der Themse ein Schattendasein geführt hat. Noch dieses Jahr will Meister-Brenner Desmond Payne die Manufaktur zu einer 600 Quadratmeter großen Besucherattraktion ausbauen und — wie Guinness in Dublin oder Jack Daniel’s in Tennessee — Gäste in die Kunst des Hochprozentigen einweihen. Über eine Glasempore dürfen die Besucher sich die Produktion dann erstmals anschauen. Statt großer Show will Beefeater allerdings weiter einfach nur seine authentische Arbeit präsentieren.

Die beginnt in großen Kupferkesseln voll Reinalkohol, dem ein Cocktail aus Wacholder, Kräutern und Zitrusschalen beigegeben wird. 24 Stunden baden die botanischen Gewächse in ihrer Marinade, dann werden die Kessel erhitzt. Über lange Kupferhälse verdampft ein Teil des Alkohols, das Rest-Aroma fließt sieben Stunden lang in Glasfässer ab. Ab wann die perfekte Geschmacksbalance für den Gin erreicht ist, entscheidet Payne nach Nase: „Man muss den Moment abpassen, in dem der Zitrusduft sich verflüchtigt hat.“

30 Millionen Flaschen füllt Beefeater pro Jahr in London ab, ein einfaches Prozedere, für das der Betrieb nur fünf Mitarbeiter braucht. Ihr Erfolgsgeheimnis aber liegt in der Perfektion des Gründer-Rezeptes von 1863.

Payne kann man nichts vormachen: „Dr. London Gin“ schmeckt sogar den Unterschied heraus, ob der Gin montags oder mittwochs abgefüllt wird: „Montags schmeckt man die Kräuter stärker, weil sie übers ganze Wochenende im Alkohol lagen.“

An einer Aromatheke erfahren Gäste alles über die Zutaten, die zerstoßenen Wacholderbeeren aus Italien, die langen Spiralen aus Zitronenschale, getrocknet über Wäscheleinen, Iris-Wurzeln und kostbare Teeblätter. Das Mischungsverhältnis bleibt freilich Desmonds Geheimnis.

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