Gesellschaft der Gaffer

Ungerührt steigen Leute in einer Bankfiliale über einen sterbenden Mann. Keiner hilft. Ungerührt filmen Leute Verunglückte bei Unfällen. Ist Deutschland eine kalte Gaffer-Gesellschaft geworden?

Zum Teil wohl. Zwar sind wir immer noch ein Land mit sehr viel Ehrenamt. Aber die Ich-Bezogenheit hat zugenommen, und das hat mit einsamen Computer-Jobs ebenso zu tun, wie mit dem Pendeln, mit dem Arbeitsdruck, mit dem Hetzen. Der eigene Reflex wird selbst in schlimmsten Notfällen nach dem Motto „Es wird sich schon jemand kümmern“ an andere delegiert. Meist an die, die beruflich zuständig sind. Die Urteile im Essener Prozess wegen unterlassener Hilfeleistung waren deutlich. Und auch gegen Gaffer wird neuerdings gesetzlich schärfer vorgegangen. Man darf sich aber keiner Illusion hingeben: Diesem sich ausbreitenden Mangel an Empathie wird mit den Mitteln des Strafgesetzbuches allein nicht beizukommen sein. Das Problem liegt in den Köpfen. Die Lösung auch.

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