Christenverfolgung Gefährliches Christsein im Schatten von Boko Haram

Erzbischöfe berichten von Christenverfolgung und beklagen das Ausbluten ihrer Länder durch Flucht.

Diese Kirche im nigerianischen Jos wurde bei einem Anschlag zerstört. Christen in dem westafrikanischen Land leidenunter der Gewalt von Islamistengruppen wie Boko Haram, aber auch unter staatlichen Repressalien. Archivfoto: dpa

Diese Kirche im nigerianischen Jos wurde bei einem Anschlag zerstört. Christen in dem westafrikanischen Land leidenunter der Gewalt von Islamistengruppen wie Boko Haram, aber auch unter staatlichen Repressalien. Archivfoto: dpa

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Köln. Es ist der Tag, an dem ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Haftbefehl gegen ein mutmaßliches Mitglied der Terrormiliz Boko Haram erlässt. Wie die Bundesanwaltschaft mitteilt, war der 27-jährige Nigerianer bereits am Mittwoch in Oberbayern vorläufig festgenommen worden. Er soll als Boko-Haram-Kämpfer bei zwei Überfällen auf Schulen sowie einem Angriff auf ein Dorf mehrere Menschen getötet haben. Er soll auch bei einem Überfall auf ein Dorf beteiligt gewesen sein, bei dem Mädchen als Geiseln genommen wurden und eine Kirche niedergebrannt wurde.

Am selben Tag sitzt Matthew Man-Oso Ndagoso im Kölner Maternushaus und berichtet von der Verfolgung und Diskriminierung von Christen in Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas und geteilt in einen islamischen Norden und einen christlichen Süden. Seit 2007 ist Ndagoso Erzbischof von Kaduna in Nordnigeria, der Region, in der Boko Haram besonders gegenwärtig ist. Früher war er Bischof in Maiduguri und lebte 500 Meter von der Moschee entfernt, in der sich die islamistische Sekte Boko Haram gründete. Sein Haus wurde niedergebrannt, als er gerade im Bistum unterwegs war.

Ndagoso sieht Christen in seiner Heimat nicht nur durch die islamistischen Terroristen, sondern auch durch staatliches Unrecht bedroht. Im islamisch geprägten Norden sei christlicher Religionsunterricht an öffentlichen Schulen nicht erlaubt. Die muslimischen Religionslehrer würden dagegen sogar vom Staat bezahlt. Auch der Moscheebau werde öffentlich gefördert, „während den Christen Grundstücke verweigert werden, auf denen sie Kirchen bauen könnten“.

Und wo christliche Kirchen und Schulen stehen, werden sie vor allem deshalb Ziel der Terroristen, weil sie einst von westlichen Missionaren gegründet wurden und damit Symbol des verhassten Westens sind. Ndagosos Überzeugung: „Extremistische Gruppen sind das Ergebnis eines korrupten Systems.“ Nicht alle vermeintlichen Religionskonflikte lässt er aber als solche gelten. Die mitunter tödlichen Auseinandersetzungen zwischen den islamischen Viehhirten der Fulani und den oft christlichen Bauern sei in Wahrheit eine Folge des Klimawandels. Der Tschadsee im Grenzgebiet zwischen dem Tschad, Kamerun und Nigeria als eines der wichtigsten Grundwasserbecken Afrikas schrumpft dramatisch, nach Einschätzung der Vereinten Nationen zumindest zur Hälfte bedingt durch den Klimawandel. Die Viehhirten müssten neues Weideland suchen — und gerieten beinahe zwangsläufig in Konflikt mit den ortsansässigen Bauern.

Ndagoso ist nicht der einzige Erzbischof, der von Christenverfolgung berichten kann. Neben ihm sitzt Joseph Tobji, maronitischer Erzbischof aus dem syrischen Aleppo. Zum gleichnamigen Gouvernement gehört auch die Stadt Afrin, die gerade Ziel der türkischen Offensive gegen die Kurden in Nordsyrien ist. Dort leben aber auch rund 30 000 Christen. Dem Päpstlichen Hilfswerk „Kirche in Not“ liegt laut der deutschen Geschäftsführerin Karin Maria Fenbert ein verzweifelter Appell einer lokalen evangelikalen Gemeinschaft vor, in dem es heißt: „Wir flehen darum, dass diese Bombardierungen von türkischen Truppen sofort gestoppt werden. Wir werden ernsthaft angegriffen.“ Zugleich sei die christliche Minderheit von islamistischen Truppen bedroht, die ebenfalls auf Afrin vorrücken.

Erzbischof Tobji sieht in Aleppo selbst nach dem Waffenstillstand zwar wieder erste Zeichen wieder erwachenden Lebens. Aber er beklagt das Ausbluten des Landes. „Die Anzahl der Christen ist bis auf ein Drittel gesunken und die Auswanderung hält unvermindert an. Nur alte Menschen bleiben noch in Syrien.“ Der Frust darüber richtet sich nicht nur gegen die Gewalt in Syrien, sondern auch gegen das „ Gutmenschentum von Ländern, die sie aus Mitleid, aber auch aus Gewinnsucht aufnehmen“. Er wolle damit nicht Deutschland kritisieren, „aber uns hat das wehgetan“. Tobji ist nicht der einzige christliche Amtsträger der Region, der Syrien vor allem als Spielball der Weltmächte sieht und auch in erster Linie ihnen die Verantwortung für den Krieg zuschiebt. Der syrische Diktator Baschar al-Assad wird dagegen eher milde betrachtet. Viele Christen verweisen auf die weitgehende Religionsfreiheit unter der Herrschaft der Baath-Partei. Sie sehen zu Assad gegenüber einem fundamentalistisch geprägten Islam derzeit keine Alternative.

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