Gartenzwerg — Kitsch oder Kult?

Manche finden sie goldig, andere ganz grässlich. Sie stoßen sogar Gerichtsprozesse an. Eine Ausstellung zeigt die Welt der Gnome.

Eichenzell. An Gartenzwergen scheiden sich die Geister. „Entweder die Menschen lieben oder hassen sie. Da gibt es nur schwarz und weiß — keine Grautöne“, sagt die Volkskundlerin und Soziologin Claudia Rücker aus Berlin über das Phänomen des kleinen Gesellen mit der roten Zipfelmütze. Im osthessischen Eichenzell bei Fulda ist noch bis zum 2. Juni eine bundesweit einmalige Ausstellung zu sehen. Unter dem Titel „Gartenzwerge — Kitsch oder Kult?“ sind im Schloss Fasanerie mehr als 30 Zwerge zu sehen.

Dass die kleinen Tonmänner so populär wurden, verdanken sie August Heissner, der 1872 in Thüringen eine Manufaktur für Keramikzwerge gründete. Schnell stießen sie auf große Nachfrage, schon vor dem Zweiten Weltkrieg wurden sie weltweit exportiert. Aus dem Dekorationsobjekt wurde ein Kulturphänomen. Mittlerweile soll es rund 30 Millionen in Europa geben. Laut einer Forsa-Umfrage von 2008 zählen sie zu den Top zehn der bekanntesten Wahrzeichen Deutschlands. Auch heute gibt es noch einige wenige Firmen, die Gartenzwerge produzieren.

„Der Gartenzwerg ist, ähnlich wie die Kuckucksuhr, ein deutscher Exportschlager, der es schon bis nach China geschafft hat“, erklärt die Ausstellungskuratorin Claudia Rücker. Das Angebot sei breiter gefächert denn je und erfreue sich wieder großer Beliebtheit. Früher haben die Gnome vorzugsweise den Garten gepflegt. Heute stehen sie auch in Büros und sitzen wie ihre großen Besitzer am Laptop oder telefonieren mit dem Handy.

Eine Erklärung für die Beliebtheit von Gartenzwergen liefert die Stellvertreter-Theorie, wie Expertin Rücker erklärt. Sie tun das, was der Besitzer auch gern macht oder machen möchte. Zum Beispiel, dem Nachbarn im Garten den Mittelfinger zeigen oder das entblößte Hinterteil entgegenstrecken. Wegen der Protestzwerge wurden schon einige Gerichtsprozesse angestrengt.

„In extremen Fällen hat der verunglimpfte Kläger dann auch Recht bekommen“, erklärt Rücker. „Man wundert sich, wie viel Emotionalität diese kleinen Kerle auslösen können“, fügt der Museumsdirektor von Schloss Fasanerie, Markus Miller hinzu.

Doch es muss nicht gleich um Obszönitäten oder Schmähungen gehen. Eine Hamburgerin fühlte sich schon von der reinen Präsenz zweier Zwerge im Gemeinschaftsgarten derart belästigt, dass sie vier Jahre lang vor Gericht kämpfte, bis sie in die dritte Instanz zog und am Ende vom Hanseatischen Oberlandesgericht Recht bekam.

Gartenzwerge sind keine rein deutsche Spezialität. Auch in England, Frankreich und dem deutschsprachigen Ausland sind sie bekannt. In Frankreich allerdings mit einem Unterschied: Die Grande Nation lässt ihre Zwerge keine roten, sondern weiße Mützen tragen.

In Basel in der Schweiz gibt es sogar die Internationale Vereinigung zum Schutz der Gartenzwerge. Dieser Verein definiert, wie ein richtiger Zwerg auszusehen hat. Und er stellt klar: Er darf nur männlich sein. Kurios auch: In den Niederlanden war zwischen 1925 und 1989 eine Genehmigung der Behörden notwendig, um einen Gartenzwerg aufzustellen.

Den Hütern der Gartenzwerg-Kultur steht die „Front der Befreiung der Gartenzwerge“ gegenüber. Es ist eine Vereinigung aus Frankreich, die sich zum Ziel gesetzt hat, die kleinen Gesellen aus der Gefangenschaft zu befreien und sie in die freie Natur zu entlassen, dem angeblich natürlichen Lebensraum des Gartenzwergs.

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