Flugzeugabsturz in Remscheid 1988: Der Schock sitzt immer noch tief

Als vor 20 Jahren ein US-Kampfjet über Remscheid abstürzte, kamen sieben Menschen ums Leben, mehr als 50 wurden schwer verletzt. Das Unglück wühlt noch immer auf.

Remscheid. Es herrscht dichter Nebel und beschauliche Adventsstimmung in Remscheid. Die Menschen bereiten sich am 8. Dezember 1988 auf das Weihnachtsfest vor, als jäh ein Inferno über die Stadt hereinbricht.

Vom Militär-Flughafen Nörvenich bei Köln war kurz zuvor ein US- Kampfjet vom Typ A-10 Thunderbolt gestartet, im Pilotenjargon "Warzenschwein" genannt. Im Tiefflug rast der Jet über die Landschaft, als er im Bergischen Land in schlechtes Wetter gerät und der Pilot die Orientierung verliert.

"Mein Dackel Blasius spielte verrückt und wollte unbedingt raus. Ich war gerade 50 Meter weit weg, da gab es einen Knall", erzählt Erika Opitz (74). Wo eben noch das Mehrfamilienhaus mit ihrer Wohnung stand, rauchen Trümmer. "Das Haus gab es nicht mehr."

Um sie herum brennen Büsche, der Helm des Kampfpiloten segelt vor ihr in eine Baumkrone. Die herrliche Wohnlage am Hang mit unverbaubarem Blick über die rheinische Ebene wird den Anwohnern zum Verhängnis.

Der Kampfjet rast um 13.28 Uhr in eine Häuserzeile in der Stockder Straße und zerschellt. Haus Nr. 128 ist zerstört, viele weitere Gebäude sind schwer beschädigt. Sieben Menschen sterben, darunter auch der Pilot, mehr als 50 Menschen werden verletzt.

Schwer bewaffnete US-Soldaten sperren das Gebiet ab und sammeln winzige Trümmer ein. Für Familie Opitz beginnt ein zweieinhalbjähriger bürokratischer Kampf um Entschädigung. Bald darauf klagen Anwohner über Hauterkrankungen, Gerüchte über auffällig vielen Krebsfälle machen die Runde.

20 Jahre später ist von dem Absturz in Remscheid nichts mehr zu sehen: Die Häuserzeile ist wieder geschlossen. Ständige Tiefflüge wie damals zu Zeiten des Ost-West-Konflikts gibt es nicht mehr. Viele Überlebende sind weggezogen, andere wollen sich nicht mehr äußern: "Das wühlt einen immer wieder auf."

Mit den Folgen des Absturzes hatte Wolfgang Putz, Leiter des Remscheider Umweltamtes, noch viele Jahre zu tun. "Das war ein riesiger Feuerball. Da sind wie bei jedem unkontrollierten Brand auch Schadstoffe entstanden." Bodenproben werden genommen.

Dabei werden erhöhte PCB-Werte festgestellt, die aber, wie sich später herausstellt, vermutlich von einem Transformator-Brand noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammen. Auch Dioxine werden gefunden, aber nicht in beunruhigenden Konzentrationen.

Eine Anwohnerin berichtete von einem US-Soldaten, der ihr zugeraunt habe, dass hier nie wieder Kinder spielen dürften. Als bekannt wird, dass die A-10-Kampfjets auf dem Balkan mit Uran-Munition schießen, werden 2002 erneut Bodenproben in Remscheid genommen, doch es findet sich keine auffällige Radioaktivität.

Die US-Luftstreitkräfte beteuern mehrfach, dass nur Übungsmunition an Bord des Unglücksjets gewesen sei. Weder die Krebs- noch die Hauterkrankungen können Wissenschaftler dem Absturz zuordnen. Zuletzt gerät der Treibstoff des Jets ins Visier. Immerhin galt Treibstoff JP-4 als stark krebserregend.

Einige der Anwohner glauben nicht an eine tickende Zeitbombe für ihre Gesundheit: "Da haben einige versucht, Geld zu bekommen, die gar nicht unmittelbar hier gewohnt haben." Das will Amtsleiter Putz nicht unterstellen: "Ich kann verstehen, wenn Erkrankungen mit dem spektakulären Absturz in Verbindung gebracht werden. Aber wir haben keinen Zusammenhang feststellen können."

Das sieht Veronika Wolf von der Bürgerinitiative "Absturz" anders: "Damals haben sich 120 Menschen mit Hauterkrankungen gemeldet." Bei ihr und ihren Kindern traten Hautausschläge auf, die als "toxisch- irritative Dermatitis" eingestuft wurden.

Flächendeckend sei eine Verseuchung der oberen Bodenschicht mit PCB festgestellt worden. Dies habe nichts mit Kriegs-Altlasten in tieferen Schichten zu tun. Die damaligen Untersuchungen hätten gravierende Mängel gehabt. "Wir wollen endlich den geheimen Absturzbericht haben."

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