Flatrate-Bordell: Ex-Chefs angeklagt

Im Prozess geht es um 2,3 Millionen Euro nicht gezahlter Abgaben.

Stuttgart/Wuppertal. Sind Prostituierte, die in "Flatrate"-Bordellen tageweise ihre Dienste anbieten, Selbstständige oder abhängig Beschäftigte? Dieser Frage widmet sich seit Mittwoch das Stuttgarter Landgericht.

Fünf Betreiber der sogenannten Pussy-Clubs müssen sich wegen Menschenhandels und Sozialversicherungsbetrugs verantworten. Das Geschäftskonzept der "Flatrate"-Bordelle waren Pauschalpreise zwischen 70 und 100Euro.

Von März 2008 bis Juli 2009 sollen die 22- bis 29-Jährigen rund 200 Angestellte in den vier Clubs in Wuppertal, Fellbach, Heidelberg und Berlin als "Selbstständige" geführt haben. Damit hätten sie Sozialabgaben sparen und ihren Gewinn maximieren wollen, sagten die Staatsanwälte. Rund 2,3 Millionen Euro seien so am Fiskus vorbeigeschleust worden. Am Mittwoch schwiegen die Angeklagten zu den Vorwürfen.

Die meisten der Prostituierten seien Rumäninnen gewesen und hätten keine gültige Arbeitserlaubnis gehabt, sagt die Staatsanwältin. Die Frauen hätten 100 bis 200 Euro in bar dafür bekommen, dass sie sich einen Tag lang zur Verfügung hielten. 64 der Prostituierten waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft zu der Zeit unter 21 Jahre alt.

In diesen Fällen lautet die Anklage auf Menschenhandel. Dabei geht es nicht um Verschleppung, sondern um die Arbeitsbedingungen der Frauen. Als Angestellte hätten sie besondere Rechte gehabt, etwa Urlaubsanspruch und Schutz im Krankheitsfall. Indem die Betreiber sie als Selbstständige geführt hätten, seien die Angestellten um diese Rechte gebracht worden.

Die Staatsanwaltschaft sieht in den meisten Fällen ein gewerbsmäßiges und bandenmäßiges Vorgehen der drei hauptangeklagten Frauen und zwei Männer. Vier von ihnen sitzen seit Juli 2009 in U-Haft. Ein 30-Jähriger, der das Marketing für die Clubs übernommen hatte, ist zudem der Beihilfe angeklagt.

Ob das Konzept der "Flatrate"-Bordelle generell infrage zu stellen ist, wollte die Staatsanwaltschaft nicht einschätzen. Entscheidend seien die Arbeitsbedingungen in den jeweiligen Häusern. Die "Flatrate"-Bordelle waren in die Schlagzeilen gekommen, nachdem es im Juli vergangenen Jahres eine bundesweite Razzia gegeben hatte. Auch dabei ging es nicht um moralische Fragen.

In Wuppertal beispielsweise gab es seitens des Ordnungsamts keinen Grund, das Etablissement zu schließen. Zur Enttäuschung der Anwohner: Die liefen seit Monaten gegen das Bordell in der unmittelbaren Nachbarschaft zu einer Schule und einem Kindergarten Sturm. Jetzt soll die Bezirksregierung über die Einrichtung eines Sperrbezirks entscheiden.

Mittlerweile ist der Pussy-Club in Wuppertal Geschichte. Laut Stadtverwaltung ist der Betrieb derzeit eingestellt - ohne Angabe von Gründen.

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