Fernsehen: Der Traum vom Kinderstar

Vom Spielplatz vor die Kamera: Florentine Burckhardt ist mit zwölf bereits ein alter Hase am Film-Set. Zu Gast bei Dreharbeiten des ZDF in Duisburg.

Duisburg. Es klingt wie im Film: Florentine Burckhardt wurde als kleines Mädchen auf dem Spielplatz entdeckt - im Hamburger Stadtteil Eppendorf. Da war sie sieben. Heute ist die Zwölfjährige schon ein alter Hase am Film-Set.

Statt für die Schule zu büffeln, darf sie zwei Wochen vor der Kamera stehen, gemeinsam mit Schauspielerin Maria Furtwängler.

Florentine lacht, als die Maskenbildnerin ihr Menthol in die Augen tröpfelt, damit die Tränen kullern: "Das finde ich lustig", kichert sie. Und im nächsten Augenblick, als die Klappe fällt, spielt sie laut schluchzend eine dramatische Abschiedsszene, zusammen mit ihrem Film-Bruder Mats Köhlert.

In ihrem honiggelben Petticoat-Tüllkleid der 1950er Jahre und ihren weißen, gestrickten Kniestrümpfen bewegt sich Florentine so selbstverständlich wie in Jeans und T-Shirt. "Irgendwie ganz cool" findet sie das Kleid. Ihre blonden Haare sind zu Affenschaukeln geflochten. Sie spielt in dem ZDF-Zweiteiler "Vom Glück nur ein Schatten" mit. Der Film basiert auf den Familienerinnerungen von Uwe-Karsten Heye, dem Sprecher des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD).

Heyes Mutter Ursula, gespielt von Maria Furtwängler, steht beispielhaft für eine ganze Generation von Frauen und deren Lebensweg vom Zweiten Weltkrieg bis in die 1950er und 1960er Jahre. Frauen, deren Männer für Nazi-Deutschland in den Krieg zogen, die ihre Kinder durch die Kriegsjahre brachten, oft Besitz und Heimat verloren und im zerstörten Deutschland wieder bei Null anfangen mussten.

Florentine und der elfjährige Mats stellen die Geschwister Bärbel und Uwe-Karsten Heye in Kindertagen dar. Plötzlich wird das Mädchen ernst: "Ich habe mich gerade hineinversetzt in die Szene." Die Szene - das ist ein Bild von 35 Sekunden. Das gesamte Drehbuch ist in klitzekleine "Bilder" von 30 Sekunden bis eineinhalb Minuten gestückelt, die an 60 Tagen gedreht werden. Heute wird in einem Abbruchhaus im Duisburger Stadtteil Bruckhausen gefilmt, im Schatten der Krupp-Stahlwerke und Fördertürme. In dem Haus aus der Vorkriegszeit ist eine Wohnung ganz im Stil der ausgehenden 1940er Jahre eingerichtet - vom Kinderzimmer mit abgeliebtem Teddy und Stundenplan in Sütterlinschrift bis zu Kohleofen und Rosentapete.

Dass die Kinder keinen Einsatz in der bis auf die Minute geplanten Produktion verpassen, textsicher und ausgeschlafen sind und nicht zu lange arbeiten, dafür sorgt vor allem die Medienpädagogin Doris Sacala. Sie ist es auch, die mit dem Regieassistenten darüber verhandelt, wie lange die Kinder drehen. Laut Gesetz dürfen sie maximal fünf Stunden pro Tag am Drehort sein - und das an höchstens 30Tagen im Jahr.

"Achtung, wir drehen. Und...bitte!" Wieder schluchzen die Kinder auf Kommando. "Toll", lobt Regisseur Miguel Alexandre, als die Szene im Kasten ist. Alle am Set applaudieren. Mats und Florentine stürmen aus dem Zimmer. Florentine hat rote Augen, schaut sich im Spiegel an - und strahlt. "Ihr habt super geheult", sagt ihr Vater Torsten Burckhardt.

Florentine hat schon mit acht Jahren in dem Film "Die Entscheidung" ein entführtes Kind gespielt. Sie war auch in der Nutella-Werbung dabei und gab die Tochter von Effi Briest am Thalia Theater in Hamburg. "Flo war eine typische Spielplatz-Entdeckung", sagt Torsten Burckhardt. Sie wurde in die Kartei einer Agentur aufgenommen. Irgendwann kamen dann die Einladungen zu Castings.

"Sie würde das auch ohne Geld machen", sagt Florentines Vater. Das Geld, das seine Tochter verdient, kommt aufs Sparbuch: "Davon kann sie mit 18 den Führerschein machen oder auch ein Auslandsjahr." Die Tages-Gagen für Kinder fangen zwischen 250 und 350 Euro an. Reich werden sie damit aber nicht; die Agenturen bekommen rund 15 Prozent. Und die Kinder arbeiten auf Lohnsteuerkarte, sie müssen Steuern und Sozialabgaben zahlen - wie Erwachsene auch.

"Ich möchte, dass Flo eines Tages einen Beruf findet, der sie glücklich macht", sagt Vater Burckhardt. Dabei ist für sie bereits heute klar: "Ich werde Schauspielerin."

Das Team am Set liebt die Kinder. Selbst die etwas distanzierte Maria Furtwängler muss lachen, als Mats ihr am Catering-Wagen zuruft: "Maria, ich hab’ da ein Geschenk für dich!"

Am Ende der Drehtage bleibt freilich von den Filmfreundschaften oft nicht viel übrig. Doris Sacala kümmert sich dann um die Nachbetreuung der Kinder. Schließlich fürchten selbst Erwachsene die Depression nach dem Dreh. "Die Realität schlägt zu, wenn das hier vorbei ist", sagt Torsten Burckhardt. "Dann ist meine Tochter nicht mehr Schauspielerin, sondern einfach Florentine Burckhardt."

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