Mordprozess Facebook, Falle, Feldweg - und ein Mordprozess

Von Fälle, bei denen Menschen glauben, das Recht in die eigenen Hände nehmen zu müssen, gibt es immer wieder. Im Rheinland soll sich ein Ehepaar blutig an einem Mann gerächt haben, den es für pädophil hielt - der aber nach Lage der Dinge unbescholten war.

Nadine H. soll mit ihrem Ehemann einen 29-Jährigen erstochen haben, weil sie ihn für einen Pädophilen hielten.

Nadine H. soll mit ihrem Ehemann einen 29-Jährigen erstochen haben, weil sie ihn für einen Pädophilen hielten.

Foto: Ralf Roeger

Aachen - „Wie geht es dir?“ und etwas später “Guten Abend“. Die Nachrichten, die der damals 29-Jährige auf Facebook an eine ihm Unbekannte verschickte, waren recht profan. Was die knappen Zeilen ausgelöst haben sollen, ist hingegen umso dramatischer. Heute ist der Mann tot, erstochen auf einer Art Feldweg in Eschweiler bei Aachen. Angeklagt: Die Eltern eines Mädchens, das sich hinter dem Facebook-Profil verbarg.

Was sich im Sommer 2015 in dem Ort zugetragen haben soll, lässt Außenstehende ratlos zurück. Die Staatsanwaltschaft hat es für den Prozess, der seit Dienstag vor dem Landgericht Aachen läuft, auf die Punkte gemeinschaftlicher Mord, schwere räuberische Erpressung mit Todesfolge und Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung heruntergebrochen.

Es gibt fünf Angeklagte. Im Mittelpunkt steht das Ehepaar. Getrieben von „Hass“, „Rache“ und „Verachtung“, soll es den 29-Jährigen erstochen haben, weil es ihn für einen Pädophilen hielt, der es auf die zwölf Jahre alte Tochter abgesehen habe. Einen wirklichen Grund für diese Theorie hätten sie eigentlich nicht haben können, stellt die Staatsanwaltschaft klar. Abgesehen vom harmlosen Inhalt der Nachrichten habe sich die Zwölfjährige auf Facebook auch als zehn Jahre älter präsentiert. Die Eltern sollen von dem gefälschten Alter sogar gewusst haben.

Dennoch soll das Paar beschlossen haben, sich an dem 29-Jährigen zu rächen und sein Handy zu kontrollieren, auf dem es Fotos von der Tochter vermutete. Tatsächlich hatte es zuvor ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt gegeben, weil das Mädchen aufgefordert worden sein soll, Bilder zu verschicken - ein Verantwortlicher wurde aber nie gefunden. Dass es der 29-Jährige gewesen sein könnte, der auf Facebook einfach nach Dates in Eschweiler suchte, entbehre jeder Grundlage, so die Ermittler.

Die Eltern beginnen demnach dennoch, einen Racheplan auszuhecken. Eine Bekannte sei eingeschaltet worden, die dem Ahnungslosen Avancen gemacht habe und ihn zu dem Feldweg lotsen konnte. Sie ist nun wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung angeklagt, ebenso wie ein weitere Bekannter, der währenddessen auf die Kinder das Paares aufgepasst haben soll. Beide sollen nicht gewusst haben, dass das Opfer sterben wird und waren auch nicht dabei.

Ein fünfter Angeklagter wiederum soll Schmiere gestanden haben, um den 29-Jährigen im Fall einer Flucht zu erdrosseln. Eingreifen musste er nicht. Der Vater des Mädchens habe dem Mann mit einem Messer so schwer zugesetzt, dass er starb.

Zu all diesen Vorwürfen schweigen die Angeklagten am ersten Prozesstag. Ein paar Aussagen zum Lebenslauf lassen sie sich entlocken - abgesehen vom Vater, der allerdings auffallend unbekümmert in den Gerichtssaal schreitet. Die anderen Hauptangeklagten verbergen da noch ihre Gesichter.

Die Angaben der anderen zeichnen ein Bild von problembeladenen Familien- und Arbeitsverhältnissen. Die Mutter berichtet von heftigem Alkohol- und Drogenkonsum. Auch die Ehe sei zuletzt schwierig gewesen. „Er hat getrunken, er war oft weg, auch über Nacht“, lässt sie über ihren Anwalt verlesen.

Die Erziehung der beiden Kinder und der Haushalt habe sie überfordert und in die Drogen getrieben. Immer wieder habe ihr Mann gedroht, ihr die Kinder wegzunehmen - sie „sei schlimmer als ein Pädophiler“. Richter Arno Bormann will dann wissen, ob sie Hobbys habe. „Meine Kinder waren mein Hobby“, sagt die Frau. Dann weint sie.

Draußen vor dem Gerichtsgebäude steht Nadine Omnis und ist fassungslos. Die Angeklagten hätten ansonsten kaum Emotionen gezeigt. Sie sei die Cousine des Opfers. Über ihren Cousin sagte sie: “Er war immer positiv. Der dachte nie, dass ihm wer was Böses will.“

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