Enttäuscht vom Superstar

Auf den Weltjugendtagen wurde er von ihnen bejubelt, nach den aktuellen Vorfällen gehen viele junge Katholiken auf Distanz zum Papst.

Düsseldorf. Gefeiert wie einen Superstar haben sie ihn. Mit "Benedetto"-Chören empfangen und unter lautem Jubel in den Himmel gelobt. Rund eine Million junger Katholiken pilgerten im Sommer 2005 zum Kölner Weltjugendtag (WJT), allein um ihn zu sehen: Papst Benedikt XVI. Von dem einmaligen Charisma, das er ausstrahlte, schwärmten sie. Und wer die große Benedetto-Show gesehen hat, glaubte gar, dass in der Kirche eine neue, moderne Zeitrechnung angebrochen sei.

Jetzt, vier Jahre danach, herrscht Ernüchterung unter vielen jungen Gläubigen. Von Enttäuschung und Zweifel ist wegen des langen Zögerns des Papstes die Rede. "Ich kann es überhaupt nicht fassen", sagt die 17-jährige Laura aus Neuss. Sie ist seit ihrer Kindheit Mitglied der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG) und war bisher ein "großer Fan" von Papst Benedikt. Aber sein langes beharrliches Schweigen zur Holocaust-Debatte hat sie gestört. "Ich dachte immer, das ist einer mit Charakter. Aber das isser wohl nicht."

Der 15-jährige Sven, seit drei Jahren Messdiener, muss seinen Glauben derzeit sogar vor seinen Freunden verteidigen: "Die fragen mich, wie mein Papst denn drauf ist und warum ich weiter in die Kirche gehe, wenn der solche uncoolen Sachen macht." Eine Antwort darauf hat der Gymnasiast nicht. "Ich finde das ja auch nicht gut, aber was soll ich denn machen? Der Papst allein ist ja nicht die ganze Kirche."

Dieses Gefühl kennen zurzeit viele junge Katholiken. "Die Rehabilitierung eines Holocaust-Leugners und die Bischofs-Ernennung eines Priesters, der den Tod von Menschen als Strafe Gottes bezeichnet, sind für die meisten Jugendlichen unverständlich", sagt Dirk Tänzler, Vorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ).

Die Jugendlichen "müssen etwas rechtfertigen, was sie zum Großteil weder verstehen noch mittragen können." Gerade in Zeiten, in denen der BDKJ Jugendliche von Glauben und Kirche begeistern wolle, "sind solche Zeichen fatal", denn so erscheine die katholische Kirche rückwärtsgewandt.

"Das ist sie aber eigentlich gar nicht, das sieht man doch auf den Weltjugendtagen", sagt der 24-jährige Biologie-Student Christian. Er trat im vergangenen Sommer sogar die lange und teure Reise zum WJT in Sydney an. Er glaubt, dass man nicht immer gleicher Ansicht mit dem Papst sein muss, um ein guter Christ zu sein. "Seine Einstellung zu Kondomen und Sex vor der Ehe zweifle ich auch an, allein schon aus gesundem Menschenverstand." Die Kirche gebe ihm den Rahmen vor, die Bibel lehre Details der Theologie, aber er allein entscheidet, wie tief sein Glaube geht.

Nichtsdestotrotz steht er den vergangenen Handlungen des Papstes kritisch gegenüber. "Ich sehe die ganze Geschichte als eine Art Management-Fehler. Aber der Papst hat zu lange gewartet, den Fehler zu beheben. Der hätte viel früher darauf bestehen müssen, dass Williamson seine Äußerungen widerruft."

Es könne gut sein, dass einige Menschen in den vergangenen Tagen das Vertrauen in den Papst verloren haben. "Aber nicht in die Kirche, das sind immer noch zweierlei Dinge."

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