Ein Vater will Gerechtigkeit

Ein Deutscher steht in Paris vor Gericht, weil er eine 14-Jährige getötet haben soll. Ihr Vater ließ den Mann nach Frankreich entführen.

Paris. Es ist der Morgen des 10. Juli 1982, als Kalinka tot in ihrem Bett aufgefunden wird. Noch am Tag zuvor ist die 14-Jährige im Bodensee geschwommen. Der französische Teenager war nach Lindau gekommen, weil sich seine geschiedene Mutter hier wieder verheiratet hat.

Die genauen Umstände, unter denen das Mädchen gestorben ist, sind bis heute rätselhaft, aber der Fall Kalinka hat Justizgeschichte geschrieben. Nun wird ein weiteres Kapitel in diesem spektakulären Kriminalfall aufgeschlagen. Ein Pariser Schwurgericht rollt den Fall am nächsten Dienstag neu auf.

Auf der Anklagebank sitzt Dieter K., ein 75 Jahre alter Arzt vom Bodensee. Die französische Justiz wirft dem Internisten vor, Kalinka getötet zu haben. Eine Anschuldigung, die der Angeklagte vehement bestreitet. André Bamberski (73) hingegen, der leibliche Vater des Mädchens, sieht sich endlich am Ziel.

Für den Mann aus Toulouse steht fest, dass K., damals mit seiner Ex-Frau Danielle verheiratet, Kalinka in jener Nacht mit einer todbringenden Spritze betäubt und sich an dem wehrlosen Mädchen vergangen hat.

Während die deutsche Justiz das Ermittlungsverfahren 1987 einstellte, verurteilte ihn ein Pariser Gericht 1995 in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft. Der von Frankreich erlassene Haftbefehl wurde nicht vollstreckt, weil Deutschland es ablehnte, einen unschuldigen Staatsbürger auszuliefern.

Doch André Bamberski ist ein Besessener, der erst Ruhe geben will, wenn K. hinter Schloss und Riegel sitzt — am besten bis an sein Lebensende: „Er hat meine Tochter auf dem Gewissen.“

Seit jenem Herbsttag 2009, an dem Bamberski das Recht in die eigene Hand nimmt und den Arzt ins französische Mulhouse entführen lässt, genießt er in Frankreich den Ruf eines Helden. Schwer misshandelt werfen die Entführer den Arzt nahe dem Gericht auf die Straße. Bamberski, der Auftraggeber des Coups, ruft am nächsten Morgen die Polizei, die K. wie ein abholbereites Geschenkpaket vorfindet.

K.s Anwälte werfen der französischen Justiz vor, ein illegales Verfahren zu betreiben, weil sie von einer rechtswidrigen Aktion profitiere. Unabhängig davon geht es um die Frage, ob Frankreich mit dem neuen Verfahren gegen einen rechtlichen Grundsatz verstößt: dass es keinen neuen Richterspruch in einer Sache geben darf, in der bereits ein Urteil gefällt wurde.

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