Ein Paradies für Weinliebhaber

Ein Nobel-Restaurant verkauft aus Platzgründen 18000 Flaschen.

Paris. Das legendäre Restaurant "La Tour d’Argent" gehört im mit Superlativen ohnehin reich gesegneten Paris zu den Häusern der Luxusklasse. 1582 gegründet, zählt es zu den ältesten Speiselokalen der Welt - mit dem denkbar erlauchtesten Publikum, versteht sich: Der Sonnenkönig speiste hier ebenso wie Zar Nikolaus II., Edward VII. und Königin Elizabeth II.

Mit einem märchenhaften Bestand von mehr als 450 000 Flaschen verfügt der "Silberturm" zudem über einen der größten und prachtvollsten Weinkeller der Nation. Weil die Katakomben aus allen Nähten platzen, kommen jetzt 18 000 Flaschen unter den Hammer. Absoluter Star der Auktion ist eine wahre Methusalem-Spirituose: ein Cognac "Fine Champagne Clos du Griffier" aus dem vorrevolutionären 1788.

Mon Dieu, was für ein Keller! David Ridgway schreitet durch sein unterirdisches Reich. Sie könnten ihm die Augen verbinden, und wahrscheinlich würde er sich in dem riesigen Labyrinth mit den engen Gängen trotzdem zurechtfinden. Seit 1981 herrscht der Chef-Sommelier des "Tour d’Argent", ein gebürtiger Brite, über den wahrscheinlich exklusivsten Weinkeller der Welt.

Und wenn der Maître sein Wein-Imperium im feinen schwarzen Dienstanzug durchmisst, die Hände dabei lässig auf den Rücken legt und die Augen über die Regale schweifen lässt, dann wirkt er wie ein stolzer Feldmarschall bei der Truppenschau.

"Der Keller ist für mich beides: Paradies und goldener Käfig, ich bin hier König und Sklave in einer Person", bekennt der 53-Jährige augenzwinkernd. König, weil er in fast 30 Dienstjahren den Bestand des Prachtkellers so gut wie verdoppeln und der eleganten Weinkarte seine ganz persönliche Handschrift verpassen konnte. "Sklave, weil der Keller mich einfach nicht mehr loslässt."

Kleine Funzeln tauchen das majestätische Gewölbe in ein fahles Licht, die Luft hier unten ist feucht, hat einen sehr erdigen Geruch. Das Reich ist alphabetisch unterteilt in 26 kleinere Keller. Allein "Y" beherbergt an die 10 000 Weine, überwiegend weiße, und Champagner. "Da drüben", deutet der Sommelier auf die mächtige Grundmauer aus silbrig-mattem Champagne-Sandstein, "genau dort war im 16. Jahrhundert der Haupteingang, weil die Schiffe am Ufer festmachten." Was heute Weinkeller ist, diente zu Zeiten der Musketiere und Revolutionäre als Schank- und Speisewirtschaft.

Die wohl amüsanteste Anekdote des lebenden Weinmuseums schrieb das Jahr 1940. Kaum hatte die Wehrmacht Frankreich niedergerungen, da schickten sich die deutschen Besatzer an, den "Blitzkrieg" mit anderen Mitteln fortzusetzen - nämlich in den üppigen Speisekammern und prallvollen Weinkellern der Hauptstadt. Doch Claude Terrail, der vor sechs Jahren verstorbene Senior-Chef, leistete passiven Widerstand. "Er mauerte genau die Tür zu, hinter der sich die kostbarsten Weine des Hauses befanden", erzählt Ridgway.

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