Ehrenmord: Familie sprach das Todesurteil

Eine junge Kurdin musste wegen ihres westlichen Lebensstils sterben. Ihr Cousin gibt dem Onkel die Schuld.

Hagen. Sie hatte keine Chance: Drei Schüsse aus nächster Nähe beendeten am 31. August 2008 das Leben der 20-jährigen Ibtihal Al Z. aus Schwerte.

Sie starb auf einer Wiese am Autobahn-Parkplatz "Sterbecker Siepen" nahe der A45 bei Lüdenscheid. Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass die in Bochum geborene staatenlose Kurdin Opfer eines sogenannten Ehrenmordes wurde.

Ihre aus Syrien, dem Libanon und Teilen der Türkei stammende Familie soll ihre westliche Lebensweise nicht akzeptiert haben. Unter anderem soll sie ihre Familie verlassen haben und in ein Frauenhaus in Iserlohn gegangen sein, vermutlich weil ihre Brüder sie terrorisiert hatten.

Freunde der Toten hatten die 20-Jährige als lebenslustig bezeichnet. Sie habe kein Kopftuch tragen wollen, sondern ihr hübsches Äußeres durch moderne Kleidung betont. Mit ihrem türkischen Freund, der laut einem Bericht des "Spiegel" Ende 2006 ein 16-jähriges türkisches Mädchen aus der Nähe von Frankfurt geschwängert hatte, soll die konservative Familie nicht einverstanden gewesen sein.

Seit Dienstag wird dem Cousin der Getöteten, Ezzedin A. (21), vor dem Landgericht Hagen der Prozess gemacht. Zusammen mit einem Onkel, Hussain K. (48), soll er die junge Frau getötet haben, um die Familienehre wiederherzustellen.

Informationen der "Westfalenpost" zufolge soll der Onkel unter falschem Namen vor der Tat nach Deutschland eingereist und anschließend wieder ausgereist sein. Der Angeklagte nutzte die Abwesenheit des Verwandten, um diesem die alleinige Verantwortung an der Tat zuzuschieben.

Sein Onkel habe ihm damals eine Pistole an den Kopf gehalten und gesagt: "Wenn du nicht tust, was ich sage, bist du der nächste." So hat es der Angeklagte im Juli in einer Vernehmung beim Haftrichter erzählt. Im Prozess will er sich erst später zu den Vorwürfen äußern.

Das Gericht hatte für die Verhandlung starke Sicherheitsvorkehrungen angeordnet. Alle Besucher und Zuschauer mussten sich vor Betreten des Saales registrieren und mehrmals durchsuchen lassen. Verteidiger Gerhard Thien: "Mein Mandant ist von seinem Onkel zu allem gezwungen worden. Das kann man ihm nicht anlasten." Am Ende könne deshalb nur ein Freispruch für den 21-Jährigen stehen.

Wenn es stimmt, was der Angeklagte dem Haftrichter geschildert hat, hat sich die Tat so abgespielt: Sein Onkel soll ihn am 31. August 2008 überraschend besucht haben. Mitten in der Nacht habe er ihn gebeten, ihn auf eine Autofahrt zu begleiten.

Dass sich seine Cousine zu diesem Zeitpunkt bereits im Kofferraum des Autos befand, wusste er nicht. Auf dem Parkplatz habe der Onkel ihn dann gezwungen, beim Tragen der "regungslosen Person" zu helfen. "Ich habe nicht erkannt, dass es meine Cousine war", so der 21-Jährige. Dann habe er die Schüsse gehört.

Da der Angeklagte zur Tatzeit 21 Jahre alt war, muss das Gericht entscheiden, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung kommt. Bei einer Verurteilung wegen Mordes drohen dem 21-Jährigen nach Jugendstrafrecht maximal zehn Jahre, nach Erwachsenenstrafrecht lebenslange Haft.

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