Duisburger Massaker: Mafia-Panne führt zum Killer

Die Polizei fasst den Pizzabäcker Giovanni Strangio in Amsterdam.

Amsterdam/Duisburg. Monatelang hat Giovanni Strangio (30) in strenger Abgeschiedenheit in Holland im Untergrund gelebt, dann brachte ein winziger Fehler die Polizei doch auf seine Spur: Eine deutsche Feinstaubplakette, ausgestellt auf den Peugeot eines 48-jährigen Kontaktmannes aus Frankfurt/Main, führte die Fahnder zum mutmaßlichen Mafia-Killer.

In der Nacht zu Freitag wurden Strangio, seine Frau und der gemeinsame Sohn sowie sein Schwager und mutmaßlicher Komplize Francesco Romeo im gutbürgerlichen Wohnviertel Diemen bei Amsterdam festgenommen. Der 30-jährige Strangio lebte dort fast wie in einem Gefängnis. Seinen Unterschlupf verließ er aus Angst vor Entdeckung fast nie - höchstens, um seiner Frau zu helfen, Einkäufe hineinzutragen.

Strangio saß völlig überrascht im Wohnzimmer, sein möglicher Duisburger Mittäter Romeo lag im Bett, als die schwer bewaffneten niederländischen SEK-Beamten die Wohnung stürmten. Der verdutzte Strangio leistete keinen Widerstand.

In der Wohnung fand die Polizei rund eine Million Euro in bar, zahlreiche gefälschte Pässe, eine Apparatur zum Fälschen von Dokumenten sowie eine Schusswaffe. Ob es sich dabei um eine Tatwaffe handelt, ist noch nicht geklärt. Wo der Prozess gegen das Duo geführt wird, steht nach Angaben der Duisburger Staatsanwaltschaft noch nicht fest. Sowohl die deutsche als auch die italienische Justiz haben Auslieferungsanträge gestellt.

Gut eineinhalb Jahre nach einem der brutalsten Morde der jüngeren Kriminalgeschichte konnten die Ermittler aus Deutschland, Italien und den Niederlanden damit einen großen Erfolg feiern. Weltweit hatten BKA-Zielfahnder nach Strangio gesucht, der am 15. August 2007 zusammen mit einem weiteren Mafia-Mitglied sechs Mitglieder eines verfeindeten Clans der kalabrischen Mafia ’Ndrangheta mit Kopfschüssen regelrecht hingerichtet haben soll: Die Täter hatten ihre Beretta-93-R-Pistolen vor der Duisburger Pizzeria am Bahnhof auf Schnellfeuer gestellt.

Dass Strangio zusammen mit einem weiteren Mann hinter dem sechsfachen Mord steckt, halten die Fahnder für äußerst wahrscheinlich, auch wenn die Ermittlungen keineswegs abgeschlossen sind. Im nach der Tat entdeckten Fluchtfahrzeug, einem Renault Clio, fanden sich am Steuer Strangios DNA und Schmauchspuren. Auf dem Beifahrersitz fanden sich DNA-Reste des Mittäters. DNA-Abgleiche der beiden Festgenommenen mit den gefundenen Spuren könnten sie bald überführen.

Telefondaten hatten die Ermittler schon sehr bald nach Amsterdam geführt. Als im November vergangenen Jahres drei Strangio- Schwestern nach Amsterdam reisten, schlug die Polizei das erste Mal zu und verhaftete den seit mehr als zehn Jahren gesuchten Mafia-Boss Giuseppe Nirta - er ist mit einer der Strangio-Schwestern verheiratet.

In Nirtas Wohnung in Amsterdam fand sich dann der entscheidende Hinweis: die Feinstaubplakette, ausgestellt auf den Wagen des Frankfurter Kontaktmannes. Auf seine Fersen hefteten sich die BKA-Zielfahnder und fanden so Strangios Versteck in Amsterdam, als der 48-Jährige sich dort mit Strangios vermutlichem Komplizen Romeo traf.

Strangio hat bis zu seiner Flucht in Kaarst die Pizzeria "Toni’s Pizza" betrieben, sie galt in der beschaulichen Schlafstadt lange als Vorzeige-Italiener. In der 45000-Einwohner-Stadt hatten sich auch andere Mitglieder des Strangio-Clans, der ursprünglich aus dem süditalienschen San Luca stammt, eingerichtet. Acht Wohnungen wurden von der Sippe bewohnt. Am Morgen nach der Bluttat von Duisburg waren die Strangios plötzlich verschwunden.

Mit welchem Aufwand sich der mutmaßliche Schwerverbrecher dann versteckt hielt, beeindruckte die Polizisten: In der gesamten Überwachungszeit sei er nur einmal ganz kurz vors Haus gegangen und ansonsten zusammen mit dem Schwager und der Familie in der Wohnung völlig abgetaucht. Strangio hatte sich die Haare lang wachsen und blondieren lassen und trug zur Tarnung eine Baseballkappe. So konnten ihn selbst die deutschen und italienischen Mafia-Spezialisten auf den Überwachungsfotos nicht identifizieren.

Anders seine Familie: Die in ihrem Äußeren unveränderte Frau Strangios war auf einem Bild klar zu identifizieren. Außerdem wussten die Fahnder, dass das Paar einen etwa drei Jahre alten Sohn hat - die Verdächtigen hatten ebenfalls ein Kleinkind dabei. So schnappte die Falle zu. Frau und Kind kamen nach der Festnahme auf freien Fuß. Ohne es zu wissen, hatten sie der Polizei aber wichtige Schützenhilfe geleistet.

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