Die Erdbeben-Gefahr am Rhein

Von der Nordsee über das Rheintal bis weit hinter den Oberrhein zieht sich eine sogenannte Schwächezone, in der es jederzeit zu Beben wie jetzt in Italien kommen kann.

Krefeld. Es war fast auf den Tag genau vor 17 Jahren: Am 13. April 1992, nachts gegen 3.20 Uhr, fliegen kreischend Vögel auf, kurze Zeit später bebt die Erde 45 Sekunden lang. Menschen werden von den Erschütterungen aus dem Schlaf gerissen, fliehen in Panik auf die Straßen. Herabfallende Dachziegel und Fassadenteile verletzen 58 von ihnen zum Teil schwer.

Es war das "Jahrhundertbeben" im Rheinland. Das Epizentrum des Bebens, das 5,9 Punkte auf der Richterskala erreichte, lag beim niederländischen Roermond.

In unserer Region war der Kreis Heinsberg am schwersten betroffen. Hier wurden 70 Häuser zum Teil so stark beschädigt, dass sie abgerissen werden mussten. In Bonn starb eine 79-Jährige nach einem Schock an Herzversagen. Am Kölner Dom stürzte eine über 400 Kilo schwere Kreuzblume ins Dach des Seitenschiffes.

In Grevenbroich fielen für zwei Stunden die Braunkohlenkraftwerke aus, und im südhessischen Biblis musste aus Sicherheitsgründen der Atomreaktor abgeschaltet werden. Durch herabstürzende Gebäudeteile wurden zahlreiche Autos schwer beschädigt. Versicherungen bezifferten die Schäden auf umgerechnet mehr als 100 Millionen Euro.

Und das nächste Beben dieser Größenordnung kommt nach Ansicht von Experten bestimmt. "In der Erdbebenzone III im Raum Aachen/Düren besteht eine zehnprozentige Wahrscheinlichkeit, dass es innerhalb der nächsten 50Jahre zu einem Beben mit einer Stärke von etwa sechs auf der Richterskala kommen wird", sagt Klaus Lehmann, Leiter des Fachbereichs Landeserdbebendienst beim Geologischen Dienst NRW in Krefeld. "Wir leben hier im gefährdetsten Gebiet Deutschlands.

Der Grund: Von der Nordsee über das Rheintal bis weit hinter den Oberrhein zieht sich eine sogenannte Schwächezone, in der es jederzeit zu Beben kommen kann. Lehmann: "In diesem Bereich zieht sich ein Riss durch die ansonsten stabile eurasische Kontinentalplatte. Ein Teil strebt nach Osten, der andere nach Westen. Dadurch kommt es zu tektonischen Verschiebungen, die durchaus größere Beben auslösen können."

Im Gegensatz zu Italien allerdings werden die Folgen solcher Beben hierzulande mutmaßlich geringer ausfallen. Lehmann: "Das Zentrum solcher Beben dürfte hier vermutlich tiefer liegen als in Italien. So lag beispielsweise das Zentrum des Bebens von Roermond in einer Tiefe von 16 Kilometern, das von L’Aquila hingegen in etwa acht Kilometern Tiefe. Und je näher sich das Zentrum an der Oberfläche befindet, desto mehr Schäden richtet das Beben an der Oberfläche an."

Hinzu kommt noch eine weitere, für unsere Region günstige Gegebenheit: Hier durchziehen zahlreiche "weiche" Sediment-Schichten wie Kies, Sand und Ton die Erdoberfläche. Diese Schichten können Erdbebenstöße aus der Tiefe gleichsam abfedern.

Im Gebiet von L’Aquila hingegen herrschen bis in große Tiefen harte, felsige Gesteinsschichten vor. Lehmann: "Solche Schichten leiten die Erdbebenwellen praktisch ungebremst nach oben durch, und die Schäden sind dann auch entsprechend hoch."

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