Der Problemfall Immendorff

Prozesse: Chaos in der Bildwelt des Künstlers. Gespräch mit dem Nachlass-Verwalter Michael Werner und dem Historiker Siegfried Gohr.

Düsseldorf. Düsseldorfs einstiger Malerfürst Jörg Immendorff ist knapp zwei Jahre tot, aber er macht noch immer Schlagzeilen. Sie gelten weniger seiner Kunst als der Echtheit seiner Bilder und Skulpturen. Derzeit laufen in Düsseldorf zwei Prozesse. Und es werden nicht die letzten sein. Wir sprachen mit dem Nachlass-Verwalter Michael Werner und dem Kunsthistoriker Siegfried Gohr, der das Werkverzeichnis der Gemälde herausgibt.

Werner ist Galerist der ersten Stunde, er hat Immendorff entdeckt und bis zuletzt vertreten. Er wird im August in jenem Prozess als Zeuge auftreten, in dem die Immendorff-Witwe Oda Jaune erreichen will, dass ein ihrer Meinung nach gefälschtes Bild vernichtet wird. Er sagt: "Wir haben immerzu Problemfälle. Sie werden immer mehr. Es ist chaotisch. Es wird äußerst unangenehm werden."

Wie das zu verstehen sei? Michael Werner erklärt: "Es gibt Bilder, die sind von Immendorff, und Bilder, die sind nicht von ihm." Das hört sich jedoch einfacher an, als es ist. Werner umschreibt die Fragen nach der Echtheit mit Gegenfragen: "Sind Bilder, die aus Immendorffs Atelier kommen, von ihm selbst oder von seinen Assistenten? Aber es gibt auch Bilder mit Zertifikat, die von Assistenten stammen, und Bilder ohne Assistenten.

Es gibt gefälschte Bilder, die nicht vom Assistenten sind, sondern von irgendwoher außerhalb des Ateliers kommen. Es gibt Zertifikate, die gefälscht sind, von Bildern, die echt sind. Und dann gibt es Zertifikate, die echt sind, von Bildern, die von anderen gemalt sind. Das ist alles ein Durcheinander."

Die Richter im Musterprozess, der von der Witwe Oda Jaune angestrengt wurde, übernehmen ab 24.August keine leichte Aufgabe. Warum dies so ist, erklärt Werner für die letzte Phase von Immendorffs Leben: "Jörg war allein, auch wenn er das Atelierhaus voller Leute hatte. Er konnte keinem vertrauen. Es war die klassische Künstler-Fledder-Aasgeier-Nummer."

Aber schon in den 90er Jahren gab es Probleme. Galerist Michael Werner weiß von einem Mann, der ein paar Jahre als Immendorffs Fahrer fungierte und den er so beschreibt: "Er war ein Knastbruder. Jörg hatte ja immer eine Tendenz zur Unterwelt. Ich habe schon damals die Fälschungen verfolgt und die Kripo eingeschaltet. Es ging um 25 gestohlene Bilder. Aber Jörg ließ den Fall fallen, weil er mir gesagt hat, dass er physisch bedroht werde. Ich solle aufhören zu recherchieren. Das war sehr unangenehm. Aber es war ein Fehler aufzuhören."

Auch bei den Skulpturen gibt es Problemfälle. Michael Werner nennt als Beispiel das "Affentor": "Diese Pyramide aus Affen war in ihrer Erstellung eine einzige Katastrophe, denn Jörg war wirklich kein skulpturales Genie. Schon bei der Figur Hans Albers (Abgüsse stehen an der Hamburger Reeperbahn und im Düsseldorfer Hafen) war Jörg so verzweifelt, dass ich seinen Künstler-Freund Penck bat, die Skulptur zu vollenden.

Penck kann das aus dem Effeff, er hat ja große Skulpturen gemacht. Also, die Figur selbst des Hans Albers ist von Immendorff, aber alle Details sind von Penck. Und beim Affentor meinte Markus Lüpertz, er könne es nicht mehr mit ansehen, dass da Affen entstehen, die keine sind. Aber ich bat Markus, die Finger davon zu lassen. Ich wollte nicht, dass dieses Affentor entsteht. Und danach versuchten sich unglückseligerweise weitere Personen daran. Für mich ist dieses Ding kein Immendorff."

Nun will die Witwe Oda Jaune die Unsicherheit beenden. In ihrem Auftrag erarbeitet der Düsseldorfer Akademieprofessor Siegfried Gohr das Werkverzeichnis der rund 1600 Gemälde auf Leinwand. Er sagt: "Der letzte Band ist sicherlich am unproblematischsten. Da gibt es eine gute Dokumentation. Bei den jüngsten Arbeiten ist alles ziemlich klar." Damit sind die Behauptungen, die Assistenten hätten nach Belieben gearbeitet, vom Tisch. Gohr erklärt jedoch: "Bei den Bildern aus den 80er und 90er Jahren gibt es vielleicht noch Dinge zu klären."

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