Dachauer Todesschütze wollte auch Richter töten

Dachau/München (dpa) - Der Todesschütze von Dachau wollte neben dem Staatsanwalt auch den Richter töten. Das habe die kriminaltechnische Untersuchung bestätigt, sagte Kriminaloberrat Manfred Frei der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag).

Der 54-jährige Ex-Transportunternehmer hatte am Mittwoch während einer Urteilsbegründung gegen ihn vor dem Dachauer Amtsgericht eine Pistole gezogen und auf den Richter und den 31 Jahre alten Staatsanwalt geschossen. Daher werde gegen ihn auch wegen Mordes und versuchten Mordes ermittelt, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch der dpa. Der 54-Jährige habe gezielt mehrere Schüsse abgegeben.

Auf wen der Mann zuerst gezielt hat, sei weiter unklar. „Der genaue zeitliche Ablauf in dieser Gemengelage ist uns noch nicht bekannt“, sagte Steinkraus-Koch. Der Staatsanwalt starb später an seinen schweren Verletzungen. Nach Angaben Freis ermitteln die Beamten jetzt auch, ob der Mann außerdem die beiden Zollbeamten töten wollte, die in dem Prozess gegen ihn aussagten und ihn nach den Schüssen überwältigten.

Der Präsident des Amtsgerichts Dachau, Klaus-Jürgen Sonnabend, sagte der Zeitung, er sehe keine Möglichkeit, wie Taten wie der Mord an dem Staatsanwalt verhindert werden könnten. Sicherheitskontrollen, die eine solche Gewalttat komplett ausschlössen oder Waffen im Gerichtssaal verhinderten, seien an einem kleinen Amtsgericht wie Dachau nicht möglich. „Wir haben Detektoren-Kellen, mit denen Durchsuchungen gemacht werden können. Solche Durchsuchungen hat es sporadisch gegeben. Aber in der Regel kommt denen nur ein Abschreckungseffekt zu gegenüber Leuten, die häufiger präsent sind“, sagte Sonnabend. „Der konkrete Fall war da völlig atypisch.“

Zudem fehle es der Justiz an Personal: „Eine strikte Kontrolle - wie am Flughafen - würde erfordern, dass wir drei Frauen und sechs Männer bräuchten, um das Ganze bestreiten zu können. Das ist nicht drin.“ Im ganzen Land seien 600 Wachtmeister nötig, um ein „perfektes Sicherheitssystem“ zu schaffen. „Das ginge auf Kosten anderer Bereiche.“ Eine derartige absolute Sicherheit sei nur in drei von 100 Gerichtsgebäuden in Bayern gewährleistet.

Den Vorschlag des Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft in Bayern, Hermann Benker, eine Abgabepflicht für Mäntel, Jacken und Taschen einzuführen, bezeichnete Sonnabend als Augenwischerei. „Wer so extrem exzessiv vorgehen will, der hat die Waffe eh nicht in der Garderobe, sondern ganz woanders stecken.“

Der 54-Jährige sei zwar vor der Tat laut und auffällig gewesen. Diese Aggressivität habe sich aber „im rein verbal-sachlichen Bereich“ bewegt, sagte Sonnabend. Die Ermittler suchen weiterhin nach einem Zeugen, der kurz vor der Tat in einem Café neben dem 54-Jährigen und seiner Anwältin gesessen hat. Der bislang Unbekannte dürfte wesentliche Teile der Hasstiraden mitbekommen haben, die der spätere Schütze schon dort von sich gab. „Bei uns hat sich bislang niemand gemeldet“, sagte am Samstag ein Sprecher der Polizei in Ingolstadt.

Der ledige 54-Jährige war am Mittwoch unter anderem wegen nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden. Seit Donnerstag sitzt er in Untersuchungshaft. Bislang schweigt er zu der Tat.

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